Sechs Geschichten übers Salz: Nimm das, Karl Lauterbach!

Unser Gesundheitsminister isst möglichst salzfrei – und verpasst so eine Menge. Denn das weiße Gold ist der Stoff, aus dem Geschichten sind.

Ein Ei, eine Scheibe Brot und ein Salzstreuer

Zum Frühstücksei ist das Salz das Salz in der Suppe Foto: Krzysztof Bisztyga/PantherMedia/imago

Dialektik auf der Zunge

Eigentlich habe ich zum Salz keine besondere Beziehung. Okay, ungesalzene Nudeln würde ich jetzt nicht unbedingt essen, und auch Avocado schmeckt mir mit Salz deutlich besser als ohne. Das reicht jedoch nicht, um ein kulinarisches Plädoyer für das weiße Streuzeug zu halten.

Bei einer Sache werde ich dann aber doch leidenschaftlich: wenn es um das kongeniale Paar Salz und Pfeffer geht. So viel Binarität muss sein! Salz und Pfeffer, das ist wie Beatles und Stones, Bayern und Dortmund oder Katze und Hund. Zwei, die zusammengehören, wenn auch weniger als Kontrahenten, vielmehr als komplementäres Duo. Das Yin und Yang der Küche des kleinen Mannes.

Denn lässt man das Salz weg, erscheint plötzlich auch dessen kleiner scharfer Bruder, der Pfeffer, völlig sinnlos. Erst Salt'n'Pepper gemeinsam bringen die richtige Portion Dialektik auf die Zunge. Ohne Pfeffer ist die natürliche Ordnung gestört, ohne Salz gerät die Welt völlig aus dem Gleichgewicht. Und ist sie das nicht wahrlich schon genug? Jens Uthoff

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Glücksmoment beim Dealer

Es gibt diese Momente aus der Kindheit, die man vor dem inneren Auge glasklar abspielen kann: Ich bin fünf Jahre alt, wir spazieren über den Berliner Teufelsberg, als die Mutter eines Freundes eine knallorange Packung Katjes Katzenpfötchen aus ihrer Jackentasche zieht. Schnell sagt sie: „Ich glaub, das schmeckt euch Kindern nicht.“ Ich trotze der Warnung und schiebe mir eine Pfote in den Mund. Es ist Liebe.

Heute sind mir die Supermarkt-Lakritzsorten längst zu soft. Es muss so salzig sein, dass die Bezeichnung Süßigkeit vollkommen unpassend erscheint. Regelmäßig besuche ich daher den Lakritzdealer meines Vertrauens, er importiert seinen Stoff aus Holland, Dänemark oder Island. Beim Anblick der gefüllten Gläser schießt mir automatisch das Wasser in den Mund. So viel, dass es mir fast peinlich ist – aber merkt ja keiner.

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Wenn ich mit der kleinen Schippe die verschiedenen Taler, Fische und Sterne in das Tütchen schütte, fühle ich mich wie früher am Süßigkeitenstand auf dem Straßenfest. Beim Verlassen des Ladens schiebe ich mir sofort einen „Salzigen Zwilling“ in den Mund. Das sind die besten: halb Frucht, halb Lakritz, ummantelt von einer Schicht Salmiaksalz. Es prickelt auf meiner Zunge. Ich grinse. Sophie Fichtner

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Salzfund tief im toten Tal

Zu den Top-Ten-Erlebnissen meines bisherigen Reiselebens gehört eine durchzeltete Nacht im Death Valley. Vom Campingplatz hatte ich einen herrlichen Blick auf das Tal und den Sternenhimmel. Am nächsten Morgen sah ich einen Wegekuckuck, also einen Roadrunner, der überraschend klein ist, wenn man ihn sonst nur aus dem Zeichentrickfilm kennt.

Nachdem ich das Zelt abgebaut hatte, fuhr ich mit meinem Mietwagen einige der weitläufig im Nationalpark verteilten Sehenswürdigkeiten ab. Am Badwater Basin stieg ich aus und latschte mit den anderen Touristen ein bisschen durch die tiefste Stelle der USA, die von einer Salzschicht bedeckt ist. Jenseits der Fußspuren knibbelte ich ein wenig davon ab. Erst verschämt – leave no trace und so –, nach und nach immer hemmungsloser, bis ich eine ordentliche Handvoll zusammenhatte. Kurz danach regnete es dann kurz, was im Death Valley quasi nie passiert. Aber 2016 war ein El-Niño-Jahr, und da ist alles anders. Es wuchsen sogar ein paar Blumen. Magisch!

Das Salz nahm ich mit nach Deutschland, und seitdem steht es in einer US-Aspirin-Plastikampulle in meiner Küche. Ich warte auf den perfekten Moment, es einzusetzen, aber er kommt nicht. Vielleicht, wenn mal wieder El Niño ist. Michael Brake

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Weihnachten am Mittelmeer

Unscheinbar lag es zwischen den anderen Plätzchen, hell und rund mit ein paar dunklen Sprengseln darin. Ich griff zu – und erstarrte. Statt Vanille oder Zimt schmeckte ich Süßes und Salziges gleichzeitig, dazu etwas Würziges, Rosmarin. Was für ein Butterplätzchen! Es war, als hätte ich einen Weihnachtsmarkt besuchen wollen, und stünde nun plötzlich am Mittelmeer.

Ich besorgte mir das Rezept, knetete Butter, Zucker, Ei und Mehl und zupfte Rosmarin. Den Teig rollte ich in einer Mischung aus Zitrone, Zucker und bretonischem Fleur de Sel, das sanfter sein soll als normales Salz. Schwer zu sagen, wo wie viel davon kleben blieb. Und so schmeckten manche Plätzchen am Ende kaum salzig, andere dafür umso mehr.

Die Reaktionen waren entsprechend unterschiedlich. Die Kinder wollten gar nichts davon. „Oh, interessant“, sagte eine Kollegin. Ich selbst aß Keks um Keks und hoffte auf eine erneute Geschmacksexplosion in meinem Mund. Doch die blieb aus. Bald konnte ich den Salzteig nicht mehr sehen.

Nur meine Tante wirkte ehrlich begeistert, sie hatte wohl genau die richtig salzig-süße Mischung erwischt und fragte nach dem Rezept. Vielleicht kriegt sie es ja besser hin. Antje Lang-Lendorff

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Romantik nur im Aroma

Es sollte das perfektes Dinner werden. Die Ravioli aus einem Laden, der sie mit Liebe selbst zubereitet. Die Sitzgelegenheit im Park, die noch von der Abendsonne beleuchtet wird. Meine Begleitung, die es kaum abwarten kann, sich gleich über das Luxus-Take-out herzumachen. Und dann noch dieses spezielle Salz, von dem ich mittags 100 Gramm für stolze 13 Euro in einem Souvenirladen in Rom gekauft hatte: Trüffelsalz, eine Mischung aus Meersalz, 2,4 Prozent Trüffel und „Aroma“, was immer das bedeuten mag.

Ich öffne vorsichtig das Glas. Inhaliere den intensiven Duft. Seufze. Greife eine Prise und verteile sie über meine Ravioli. Nehme einen Bissen. Und schmecke: nichts. Also okay, ich schmecke die Ravioli, die Soße, das Salz – aber eben nicht den Trüffel. Ich dippe mit dem kleinen Finger direkt in die Oberfläche des Salzes und lecke ihn ab. Das Aroma ist intensiv, aber wieder: kein Anzeichen von Trüffel. Schade.

Seitdem steht das Salz in einer Ecke meiner Küche. Wird es mal geöffnet, dann voller Hoffnung, nur um jedes Mal aufs Neue enttäuscht zu werden. Nur meine Nase hat etwas davon. Immerhin. Shoko Bethke

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Koscher und korrekt am Herd

Man kann arg in Schlamassel geraten, wenn man US-Rezepte nachkochen will. Da ist die Hürde der Mengenangaben: Das Pfund ist ein anderes als unser Pfund, die Unze gibt es für flüssige und feste Dinge, und dann sind da noch die unklaren „Cups“ und „Spoons“. Das größte Rätsel aber war für mich lange die Angabe „kosher salt“. Es steht fast in jedem Rezept.

Blöd, wie man ist, übersetzt man das heutzutage im politisch-korrekten Kontext, fragt sich aber dann, warum selbst bei Schwarzer Südstaaten-Küche oder mexikanischen Gerichten Salz zum Einsatz kommen soll, das jüdischen Speisegesetzen entspricht. Die Lösung: Es ist ein Salz, das einst verwendet wurde, um Fleisch koscher zu machen. Dafür muss alles Blut entzogen werden, und um das sicherzustellen, pökelte man das Fleisch in grobem Salz, das sich nicht so schnell auflöst, wenn es Flüssigkeit aufsaugt.

Hergestellt wird es durch Verdampfung, dabei entstehen größere kristalline Strukturen, wie Flocken. Sie kleben nicht so an den Fingern, das ist praktisch. Allerdings salzen sie höchst unterschiedlich. Aber wenn die Mengenangaben eh durcheinandergeraten sind, ist das dann auch egal. Jörn Kabisch

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