Anti-Corona-Proteste in Berlin: Menschenkette gegen Elfen

In Tegel wächst der Widerstand gegen die montäglichen „Spaziergänge“ von Impfgegnern. Neues Bündnis warnt vor Vereinnahmung durch die extreme Rechte.

Protest gegen Impfgegner in Prenzlauer Berg

Die Impf­geg­ne­r*in­nen provozieren auch Gegenprotest, hier vor der Gethsemanekirche Foto: picture alliance/dpa | Fabian Sommer

BERLIN taz | „Es werden immer mehr“, sagt Elli vom Bündnis Omas gegen Rechts, als der sogenannte „Montagsspaziergang“ an ihr vorbeizieht. Tatsächlich sind es laut Polizei rund 800 Menschen, die am Montagabend unter dem Motto „Tegel steht auf“ gegen die Anti-Corona-Maßnahmen auf die Straße gehen. Es läuft deutscher Schlager, Deutschlandfahnen werden geschwenkt, eine Frau im Elfenkostüm ruft „Frieden, Freiheit, Selbstbestimmung“.

Jeden Montagabend stellen sich die Omas gegen Rechts dem verschwörungsideologischen Auflauf entgegen, schweigend, mit einer Menschenkette. Auch sie seien in den vergangenen Wochen immer mehr geworden, sagt Elli. An diesem Abend sind es rund 200 Gegendemonstrant*innen, die sich trotz der Kälte versammelt haben. Ihren vollen Namen will die die 67-jährige Tegelerin lieber nicht nennen, aus Angst, wie sie sagt. „Wir werden oft angefeindet, zum Teil auch sehr rabiat.“

Die beiden Kundgebungen stehen sich direkt gegenüber, getrennt nur durch die Berliner Straße und einige verstreute Polizist*innen. Teilweise laufen die Co­ro­nal­eug­ne­r*in­nen mitten durch den Gegenprotest, einige versuchen, mit den „Omas“ zu diskutieren, andere rufen „Schämt euch!“, ein Teilnehmer hält ein Schild mit der Aufschrift „Falsche Demo Oma“. „Mit denen kann man nicht reden“, glaubt Adele. Die 72-Jährige ist ebenfalls bei den Omas gegen Rechts aktiv, weil sie etwas gegen den Rechtsruck in der Gesellschaft tun will, wie sie sagt. „Es mag ja Leute geben, die Angst vorm Impfen haben, aber das hier wird von Rechten organisiert.“

Alles andere als unpolitisch

Den unpolitischen Charakter, den die Or­ga­ni­sa­to­r*in­nen von „Tegel steht auf“ nach außen tragen, kaufen ihnen die Omas gegen Rechts nicht ab. An diesem Abend sollen auch Vertreter der Neonazi-Kleinstpartei „III. Weg“ unter den De­mons­tran­t*in­nen sein. „Viele sind gar nicht politisch, die werden von Rechtsextremen reingezogen und hysterisiert und instrumentalisiert“, glaubt Elli. Ein aktuelle Studie zeigt jedoch, dass nicht wenige für Verschwörungserzählungen empfänglich sind: Knapp ein Fünftel der Ber­li­ne­r*in­nen stimmte 2021 der Aussage zu, „die Coronakrise wurde so groß geredet, damit einige wenige davon profitieren können.“

Mit ihrer Angst vor einer Radikalisierung der Anti-Corona-Proteste sind die Omas nicht allein. Gemeinsam mit der Linken, SPD, FDP und Grünen, Gewerkschaftsverbänden und Fridays for Future Reinickendorf haben sie daher die Tegeler Erklärung verfasst, in der sie vor einem „Schulterschluss mit der extremen Rechten, Verschwörungsgläubigen und der AfD“ warnen.

Elli von den Omas gegen Rechts

„Wir werden oft angefeindet, zum Teil auch sehr rabiat“

Dass dieses antifaschistische Engagement nicht ungefährlich ist, zeigt sich kurze Zeit später. Ein junger, stämmiger Mann schert aus dem „Spaziergang“ aus, nähert sich der Menschenkette und ruft Beleidigungen. Dann schlägt er einem Teilnehmer sein Schild auf den Kopf. Kurz entsteht Unruhe, doch die Polizei ist schnell vor Ort und nimmt eine Anzeige auf. Es ist nicht die einzige an diesem Abend. Laut Berliner Polizei wurden am Montagabend stadtweit fast 90 Ordnungswidrigkeitsverfahren und acht Strafverfahren gegen Co­ro­nal­eug­ne­r*in­nen eingeleitet, so ein Sprecher zur taz.

In Tegel ist der Spuk nach rund anderthalb Stunden vorbei. Dann ertönt die „Querdenker“-Hymne „Freiheit“ von Marius Müller-Westernhagen. Ein kleiner Spaß, den sich die Omas gegen Rechts erlaubt haben: Schließlich ist der Sänger bei den Impf­geg­ne­r*in­nen mittlerweile in Ungnade gefallen, nachdem er vergangene Woche unter dem Titel „Freiheit“ ein Foto von sich beim Impfen gepostet und sich damit gegen die Instrumentalisierung seines Liedes gewandt hatte.

„Die Freiheit der Einzelnen darf nicht die Freiheit der anderen gefährden“, sagen die Omas. Deswegen gilt für sie: „Impfen statt schimpfen.“ Und deswegen werden sie auch am nächsten Montag wieder auf der Straße stehen, um sich der lauten Minderheit schweigend entgegenzustellen.

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