Gefechte in Ostukraine: Unter Beschuss

Die ukrainische Armee und pro-russische Kämpfer machen sich gegenseitig für Angriffe verantwortlich. Der Westen zweifelt am russischen Truppenabzug.

Bewaffneter Soldat vor einem Sandhaufen

Ukrainischer Soldat an der Frontlinie in der Region Donezk Foto: Ukrainian Presidential Press Off/AP

KIEW taz | Kinder im ostukrainischen Donbass müssen wieder zittern und Schutz im Keller suchen. Nach Angaben eines ukrainischen Militärsprechers sollen Separatisten in dem von der Ukraine kontrollierten Ort Staniza Lugansk am Donnerstag einen Kindergarten beschossen haben. Drei Personen seien leicht verletzt worden, die halbe Ortschaft sei nach dem Beschuss ohne Strom gewesen. Auch die OSZE bestätigte das Aufflammen neuer Gefechte und den Einsatz von Artillerie. Die prorussischen Separatisten gaben an, sie seien von der ukrainischen Seite beschossen worden. Kiew dementierte das.

Offensichtlich geht es bei den jüngsten Gefechten um eine neue Qualität der Gewalt. Ein ranghoher ukrainischer Regierungsvertreter sagte, die jüngsten Beschüsse aus dem Gebiet der prorussischen Separatisten passten nicht in die Reihe der üblichen Verletzungen der Waffenruhe. Präsident Wolodimir Selenski sprach von einer „großen Provokation“. „Wir rufen alle Partner auf, diese schwere Verletzung der Minsker Vereinbarungen durch Russland in einer bereits angespannten Sicherheitslage unverzüglich zu verurteilen“, erklärte der ukrainische Außenminister Dmitrij Kuleba auf Twitter.

Auch eine Schule im Ort Wrubiwka soll von Separatisten angegriffen worden sein. 30 Kinder und 14 Lehrkräfte, so vesti.ua, hätten sich während des Beschusses in dem Gebäude aufgehalten. Einige Fenster seien zu Bruch und Türen kaputt gegangen. Acht Schulkinder und zwei LehrerInnen hätten kurzzeitig Schutz im Keller der Schule gesucht. Auch eine Gasleitung habe Schaden genommen, so dass hundert Häuser ohne Gas waren. Bei diesem Angriff seien Waffen eines Kalibers von 122 Millimetern eingesetzt worden. Dieser Waffentyp sei laut der Friedensvereinbarungen von Minsk verboten, berichtete die Verwaltung des Ortes.

Das russische Portal lenta.ru zitiert Quellen aus den „Volksrepubliken“ Lugansk und Donezk, die Kiew für die jüngste Eskalation verantwortlich machen. Nach Angaben der Separatisten hatten die ukrainischen Streitkräfte am Morgen das Feuer auf fünf Ortschaften in der „Volksrepublik“ Luhansk eröffnet. Auch zivile Ziele der „Volksrepublik Donezk“ sollen beschossen worden sein, so lenta.ru.

Häuser beschädigt

So hätten ukrainische Streitkräfte mit Granatwerfern und Handfeuerwaffen die Dörfer Kominternove, Oktyabr, Petrovske, Novolaspa und auch Außenbezirke von Horliwka und Donezk beschossen. In Donezk seien dabei zwei Häuser zu Schaden gekommen. Und das Portal strana.best berichtet unter Berufung aus Quellen der „Volksrepublik“ Lugansk von der Beschädigung von sieben Häusern im Dorf Nikolajewka durch ukrainisches Militär.

Offensichtlich geht es bei den jüngsten Gefechten um eine neue Qualität der Gewalt

Unterdessen zweifeln Vertreter der Ukraine und der USA Moskaus Ankündigung eines Teilabzuges seiner Truppen aus der Grenzregion an. Verteidigungsminister Olexi Resnikow und Präsident Wolodimir Selenski erklärten, sie könnten nicht erkennen, dass sich die russischen Truppen von der Grenznähe zurückziehen würden. „Am Mittwoch hat die russische Regierung erklärt, sie ziehe ihre Truppen von der Grenze zur Ukraine ab. Jetzt wissen wir, dass das nicht stimmte“, sagte ein US-Regierungsvertreter. Die USA gingen davon aus, dass im Grenzgebiet zusätzlich 7.000 russische Soldaten eingetroffen seien.

US-Außenminister Antony Blinken sagt in einem Interview mit dem US-Nachrichtensender MSNBC: „Es gibt das, was Russland sagt. Und dann gibt es das, was Russland tut. Und wir haben keinen Rückzug der Streitkräfte gesehen.“ Es seien Einheiten zu beobachten, die sich auf die Grenze zubewegen, nicht von der Grenze weg.

Trotzdem wollten die USA weiter an einer diplomatischen Lösung der Ukraine-Krise arbeiten. Der zentrale Schauplatz dafür könnte die bayerische Landeshauptstadt sein, wo an diesem Wochenende die Sicherheitskonferenz stattfindet. US-Vizepräsidentin Kamala Harris und Außenminister Antony Blinken werden der Konferenz beiwohnen.

Laut Regierungsinformationen beabsichtigen beide, sich am Rande der Konferenz zu bilateralen Gesprächen mit europäischen Verbündeten zu treffen. Auch eine Delegation von US-Kongressabgeordneten und Senatoren wird in München zu Gast sein.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.