Streit um den Berliner Teufelsberg: Ein Berg voll Geschichte

Seit Jahren streiten Berlin und Investoren um die ehemalige Abhörstation auf dem Teufelsberg. Das Nachsehen haben Kreative, die dort arbeiten.

Farbige Zeichnung eines Menschen, der mit einer Palette vor einer Staffelei ein Bild der Abhörastation auf dem Berliner Teufelsberg malt

So weiß ist die alte Abhörstation der Alliierten auf dem Teufelsberg schon lange nicht mehr Illustration: Sebastian König

BERLIN taz | „Weißes Gespenst“ haben Anwohner sie im Kalten Krieg genannt, und ein Gespenst ist die einstige Abhörstation der USA und Großbritanniens auf dem Teufelsberg in Berlin-Charlottenburg bis heute geblieben. Nur weiß ist sie schon lange nicht mehr. Die helle Außenhaut, die früher die Antennen in den Türmen verhüllte, flattert in Fetzen im Wind. Spatzen haben die offenen Räume erobert, in denen einst 1.500 Spione den Ostblock abhorchten. Sie fliegen hin und her zwischen Spraygemälden von Fantasietieren, Frauenkörpern und Wortresten in Signalfarben, die von Liebe und Frieden handeln.

Der Teufelsberg im Grunewald war mit seinen 120 Metern die höchste Erhebung des alten Westberlins. Wer heute den Weg unter Birken und Buchen bis zur Spitze hochgeht, hat Jahrzehnte von Wahn, Brutalität und Tod unter den Füßen. Ursprünglich war das Gelände so flach wie das ganze Berliner Urstromtal. 1937 begannen die Nazis hier mit dem Bau einer Militärakademie. Nach 1945, als im realen Berlin Zigtausende tot und eine halbe Million obdachlos waren, wurden die Reste der Nazi-Akademie zu einer Deponie der zerstörten Stadt. 26 Millionen Kubikmeter Schutt wurden hier abgeladen – ein Drittel der zerbombten Berliner Häuser. Am Ende kam Erde darüber und Bäume wurden gepflanzt, dann setzten die Alliierten ihre Abhörstation darauf.

An den meisten Orten der Welt stünde an einer solchen Stelle eine Gedenkstätte. In Berlin streiten Investoren, Künstler und Politiker darum. Die Investoren sind zu dem Berg gekommen, als Berlin auch seine Wasserversorgung und seine Immobilien privatisiert hat. 1996 verlangte die Stadt die Spottsumme von 5,2 Millionen D-Mark für das 4,7 Hektar große Gelände. Inzwischen versucht Berlin, den Fehler zu korrigieren. Aber als die Investoren 15 Millionen Euro verlangten und zusätzlich die Schulden von 35 Millionen Euro übergeben wollten, mit denen sie den Teufelsberg belastet hatten, winkte Berlin ab.

An diesem Nachmittag im Februar fährt ein Mann vor dem verriegelten Eingangstor vor. Sein Vater, Hanfried Schütte, ist der Haupteigentümer unter den Investoren, Sohn Marvin ist der Pächter. Über die Wünsche von Berliner Politikern, das Gelände zurückzukaufen, lacht er: „Die haben schon den Flughafen nicht hingekriegt.“

Die Baugenehmigung ist abgelaufen

Mit dem Ablauf ihrer Baugenehmigung endete 2004 die Chance der Investoren, auf dem Teufelsberg Luxuswohnungen zu bauen. Das Areal steht nun unter Landschafts- und Denkmalschutz. 2010 holte ein Pächter Künstler, Erfinder und Kreative. Die entsorgten den Müll, bemalten die Gemäuer, bauten Skulpturen, legten Gärten an und machten den Teufelsberg zu einer Touristenattraktion.

Als klar wurde, dass Eintrittsgebühren und „Events“ Geld bringen, schmissen die Investoren den Pächter heraus und machten den Sohn des Haupteigentümers zu seinem Nachfolger. Später verdrängten sie auch die ersten Kreativen. Manchen erteilten sie Hausverbote. „Sie haben Ärger gemacht“, so begründet es Marvin Schütte.

Mehrere vertriebene Kreative treffen sich in einer Pizzeria am Fuß des Bergs ihrer Träume. „Wir sind benutzt worden“, sagt Wolfram Liebchen. Er findet, dass der Teufelsberg in die öffentliche Hand gehört: Notfalls „per Enteignung“. Malgosia Horak hat auf dem Teufelsberg den „Jamalaya-Turm“ renoviert. Die Hoffnung auf Rückkehr hat auch sie nicht aufgegeben In einer Petition sammelt sie Unterschriften für die Sanierung und öffentliche Kontrolle der Anlage.

Zusammen mit Architekten entwickelt sie ein Modell, das die Teile des „weißen Gespenstes“, die schädliche Partikel absondern, unter Glas setzen soll. Sie will, dass die ganze Anlage langfristig als Ort der Geschichte erhalten und zugänglich bleibt. Auf flachen Glasdächern sollen Solarzellen verlegt werden, entlang der Innenwände Algen wachsen. Damit, so Horak, bekäme der Teufelsberg zusätzlich eine neue Funktion als Notstromaggregat für Berlin.

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Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

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