„Totale Verweigerung“

Vortrag: Entschädigung griechischer NS-Opfer

■ 50, Anwalt und Mitarbeiter im „Arbeitskreis Distomo“, der sich für die Entschädigung griechischer NS-Opfer einsetzt.

taz: Herr Klingner, finden Sie es richtig, dass griechische Opfer des Nationalsozialismus seit Februar Deutschland nicht mehr verklagen können?

Martin Klingner: Nein, überhaupt nicht. Das Urteil des Internationalen Gerichtshofs (IGH) in Den Haag verstellt NS-Opfern die Möglichkeit, Entschädigung für das erlittene Unrecht zu erhalten. Der IGH meint, es solle zwischenstaatliche Lösungen geben.

Ist das denn schlecht?

Bei diplomatischen Lösungen gehen die Opfer meist leer aus. Die Bundesrepublik verweigert zum Beispiel Verhandlungen mit Griechenland über Reparationen an Geschädigte. Es ist die totale Verweigerung des Rechts. Dabei müssten die Opfer des Massakers der Nationalsozialisten im griechischen Distomo materiell entschädigt werden. Aber das ist nie geschehen; die Täter wurden weder verfolgt noch bestraft.

Aber ist eine Forderung nach Entschädigung nach so vielen Jahren noch zeitgemäß?

Absolut. Denn es liegt nicht an den Opfern aus Griechenland, dass es noch keine Regelung gibt; es liegt an der Bundesrepublik, die sich seit 60 Jahren querstellt.

Haben NS-Opfer denn trotz des IGH-Urteils noch eine Chance, Entschädigungen zu fordern?

Es wird wohl nur noch eine politische Lösung geben. Die griechische Regierung muss sich für ihre Bürger starkmachen und mit Deutschland verhandeln. Bisher hat das jedoch keine Regierung ernsthaft versucht. Auch liegt es an der BRD, Verantwortung für die NS-Zeit und das Massaker in Distomo zu übernehmen, statt sich mit leeren Gesten zu schmücken. Das Geld und die Macht hätte sie. Aber es fehlt der Wille, die NS-Opfer auch in Griechenland angemessen zu entschädigen.  INTERVIEW: AMA

Vortrag des AK-Distomo und der Krim-Initiative, 19.30 Uhr im Centro Sociale, Sternstraße 2