Geplante Studie: Ein Frauenmord ist ein Femizid

Eine groß angelegte Studie zu Femiziden ist überfällig. Es ist nötig, die Hintergründe von männlicher Macht und Lebensumständen zu erforschen.

Rote Frauenschuhe sind am ·Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen im Innenhof des Landtages aufgestellt

Protest gegen Gewalt an Frauen in Potsdam im November 2021 Foto: Soeren Stache/dpa

Das wurde Zeit. Eigentlich braucht es nicht mehr als diesen knappen Satz, um auszudrücken, dass die jetzt gestartete Studie des Kriminologischen Instituts der Universität Tübingen zu Femiziden – Morde an Frauen, weil sie Frauen sind – überfällig ist. Seit Jahren fordern Frauen- und Gewaltschutzverbände, dass die Tötungen, verübt von den Partnern und Ex-Partnern der Opfer, dezidiert erforscht und gesellschaftlich eingeordnet werden.

Gewaltberatungsstellen und Hilfsorganisationen haben jeden Tag mit misshandelten, gedemütigten, verletzten Frauen (und in der Regel auch mit ihren Kindern) zu tun. Sie wissen, in welcher Gefahr sich eine Frau befindet, die sich von ihrem Partner trennen will. Sie erleben die Ängste, die Zweifel, vor allem aber die Verzweiflung der Frauen, die sich aus der Beziehung nur deshalb so schwer lösen können, weil die Macht der jeweiligen Männer mitunter unendlich groß ist.

Und sie ahnen, wie „Hilfe“ durch Behörden oft aussieht: Da behält ein getrennter, gewalttätiger Vater das Umgangsrecht für die Kinder – und hat somit weiterhin „Zugriff“ auf die Mutter. Da glauben Beamte den Frauen nicht, die um konkreten Schutz bitten: Der wird mich umbringen. Da werden Frauen beschwichtigt, oder im schlimmsten Fall wird ihnen geraten, sich eben besser nicht so aufzulehnen – als Frau.

Das Ergebnis liest sich in Zahlen ausgedrückt so: 119.164 Frauen waren im Jahr 2020 von Partnerschaftsgewalt betroffen, 139 von ihnen haben diese nicht überlebt. Die Kriminalstatistik zählt diese Fälle in ihrer Rubrik Mord und Totschlag. Darüber hinaus gibt es weitere Delikte, die sich direkt gegen die betroffenen Frauen als Frauen richten: Vergewaltigung, sexuelle Nötigung, Stalking.

Wie genau hängen solche Straftatbestände mit männlicher Macht, persönlichen Lebensumständen, dem Einfluss von Alkohol und Drogen zusammen? Das will die Studie klären. Gewalt an Frauen, so viel ist politisch mittlerweile klar, ist Ausdruck eines Machtgefälles – zuungunsten der Frauen.

Übrigens: In den USA werden Frauen­morde selbstverständlich als Femizide gezählt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es immer wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.