Frauen im Profiradsport: Ein bisschen weiblicher

Der Weltradsportverband feiert sich selbst, was er alles für Geschlechter­gerechtigkeit unternimmt. Doch bei Licht besehen ist das nicht allzu viel.

Die Radweltmeisterin Elisa Balsamo auf einem matschigen Kopfsteinpflaster während eines Rennens. Ein Helfer hilft ihr.

Noch nicht raus aus dem Schlamm: Elisa Balsamo (Italien) beim Klassiker Paris-Roubaix Foto: imago/Belga

Die UCI möchte auch einmal Vorreiter sein. Der oft gescholtene Radsportweltverband begann das neue Jahr mit der Nachricht, ein neues Niveau in Sachen Geschlechtergerechtigkeit erreicht zu haben. Die Zertifizierungsfirma EDGE vergab dem Weltverband das Zertifikat „Move“, das zweithöchste von dreien. „Die UCI ist weltweit der erste Sportverband, der das erreicht“, feierte sich die UCI selbst.

Sie begründete den Aufstieg mit dem, was sie in den vergangenen Jahren gemacht hat. Mindestgehälter für weibliche Profis im Straßenradsport wurden eingeführt. Die Siegprämien bei den WM sind gleich. Julian Alaphilippe und Elisa Balsamo erhielten für ihre Siege bei den Straßenrennen in Flandern jeweils 8.000 Euro. Auch die Zeit­fahr­welt­meis­te­r*in­nen beider Geschlechter erhielten dieselbe Summe. 4.000 Euro gingen an die Sieger der U23-Kategorie – die gab es allerdings nur für den männlichen Nachwuchs – jeweils 2.000 Euro an Juniorinnen und Junioren im Regenbogentrikot. Auch die Siegprämien in der neu geschaffenen UCI Track Champions League liegen für Männer wie Frauen auf gleicher Höhe, bei 25.000 Euro.

Und auch der Schutz vor Übergriffen ist verbessert. Vor allem auf Druck der unabhängigen Fahrerinnengewerkschaft The Cyclists’ Alliance passte die UCI ihren Ethikcode an. Opfer von Übergriffen haben jetzt das Recht, angehört und besser über das gesamte Verfahren informiert zu werden, sowie eine Begründung zu erhalten. Täter können bestraft, Verdächtige suspendiert werden.

Das sind Fortschritte, gewiss. Und das EDGE-Zertifikat ist ein Ausdruck dafür. Aber es bleiben Fragen: EDGE selbst ist ein weltweit benutztes Zertifizierungsverfahren in Sachen Geschlechtergerechtigkeit. Es wurde 2011 beim Weltwirtschaftsforum in Davos vorgestellt. Und wie sich im Akronym verbirgt – EDGE steht für Economic Dividends for Gender Equality – geht es vor allem um ökonomische Impulse, die diverser geführte und diverser aufgestellte Unternehmen im Vergleich zu ihren patriarchaler geführten Konkurrenten haben. Diese Effekte gibt es durchaus. Die Beraterfirma McKinsey fand etwa heraus, dass die Unternehmen, die zum obersten Viertel in Sachen Geschlechtergerechtigkeit gehören, höhere Profitraten als der nationale Durchschnitt erzielen. Zertifikaten wie dem von EDGE kommt also eine höhere Bedeutung zu.

Beim Verband bleibt alles in Männerhand

Zudem entspricht das Zertifikat nicht immer der Realität. Über die bei der UCI angewandten Kriterien gab EDGE auf Nachfrage keine Auskunft. Aus den von der UCI selbst veröffentlichten Informationen lassen sich aber wenig schmeichelhafte Rückschlüsse treffen. 40 Frauen und 62 Männer arbeiteten laut dem letzten Jahresbericht der UCI festangestellt für den Weltverband. Das Gehaltsgefüge zwischen den Geschlechtern war auf den unteren und mittleren Ebenen laut einer Grafik ausgeglichen. Aber 21 männlichen Direktoren standen nur 6 Direktorinnen gegenüber. Bei Trai­ne­r*in­nen ist das Verhältnis 25:15. Nur auf der unteren Ebene sind Frauen mit 19 Stellen gegenüber 16 Männern in der Überzahl.

Jede dritte Fahrerin im Profifeld erhielt laut Gewerkschaft kein Gehalt

Erst recht nicht in den Blick nimmt das Zertifikat die Geschlechterverhältnisse im Radsport insgesamt. Die Fahrerinnengewerkschaft TCA monierte etwa, dass jede dritte Fahrerin im Profifeld kein Gehalt erhielt. Das betrifft vor allem Frauen, die bei den Continental Teams angestellt sind. Dort gibt es kein Mindestgehalt. Die Lizenzen für die Rennställe vergibt die UCI. In der EDGE-Zertifizierung spielte auch keine Rolle, dass die TCA mit ihren über 200 Mitgliedern vom Weltverband nicht einmal als offizielle Vertretung anerkannt wurde.

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