Sparen beim energieeffizienten Bauen: GroKo-Erbe stoppt Öko-Häuser

Einem sozialen und ökologischen Wohnprojekt im Hamburg droht das Aus, weil die Bundesregierung die Förderung für energiesparende Gebäude beendet.

Mitglieder der Baugemeinschaft räumen schonmal das Grundstück frei

Mitglieder der Baugemeinschaft räumen schonmal das Grundstück frei Foto: Ulrich Schneider/Wohnen hoch drei

HAMBURG taz | Die Tücken der staatlich orchestrierten Energiewende drohen ein Hamburger Wohnprojekt scheitern zu lassen. Schuld ist der plötzliche Förderstopp für energieeffiziente Gebäude, den Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) vor einer Woche verkündet hat.

„Wohnen hoch drei“ ist der Name der genossenschaftlich organisierten Baugemeinschaft, die im Bezirk Harburg zwei Häuser mit insgesamt 24 Wohnungen bauen will. Das Projekt ist 2020 mit dem Harburger Nachhaltigkeitspreis ausgezeichnet worden. „Mit dem Wegfall der Förderung wäre das Projekt komplett infrage gestellt“, sagt Ulrich Schneider, von der Baugemeinschaft.

Wohnen hoch drei erhielt den ersten Preis als innovatives, generationsübergreifendes und integratives Wohnprojekt mit Modellcharakter. „Alle Dimensionen der Nachhaltigkeit, also Ökologie, Ökonomie, Soziales und Partizipation sind vorbildlich vertreten und werden konsequent umgesetzt“, fand die Jury.

Die Häuser sollen aus Holz gebaut und mit einer Photovoltaikanlage samt Batteriespeicher versehen werden. Damit sollen sie den höchsten Energiestandard KfW 40 plus erreichen. Das heißt, sie verbrauchen nur 40 Prozent der Energie eines Standardhauses und erzeugen außerdem ihren eigenen Strom. Das Grundstück ist an zwei Seiten von einer alten Hainbuchenhecke umrahmt, an einer andere Seite geht es in einen Park über.

Überschwemmt von einer „Antragsflut“

Die Baugemeinschaft mit 33 Erwachsenen und 24 Kindern besteht aus Familien und Singles, zum größten Teil mit geringen Einkommen. Gebaut werden Sozialwohnungen, zwei davon für Menschen mit Behinderung. „Die Beiträge zum Eigenkapital werden solidarisch verteilt“, sagt Schneider. 500.000 Euro des Eigenkapitals habe die Baugemeinschaft bereits in die seit fünf Jahren laufende Planung gesteckt. Die eine Million Euro KfW-Förderung seien fest eingeplant.

In die Bredouille ist das Projekt jetzt gekommen, weil das über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) laufende Förderprogramm des Bundes für KfW-55-Häuser Ende Januar beendet werden sollte. Daraufhin sei die KfW im Januar von einer „Antragsflut“ überschwemmt worden, teilte das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) mit.

In einer Art Torschlusspanik beantragten die Bauherren viel mehr Fördergeld, als Steuermittel für energieeffizientes Bauen vorgesehen waren. „Angesichts der vorläufigen Haushaltsführung musste die KfW das Programm daher heute mit sofortiger Wirkung stoppen“, teilte das Ministerium mit.

Dass es so weit kam, erklären Habecks Leute mit einer „klimapolitische Fehlsteuerung der letzten Jahre“. Obwohl bekannt gewesen sei, dass KfW-55 sich im Neubau als Standard durchgesetzt habe, sei das Ende der Effizienzhaus-55-Förderung erst im November vergangenen Jahres verkündet worden. „So wurden 2021 sechs Milliarden Euro Steuergelder – und damit rund ein Drittel der 2021 insgesamt für die Gebäudeeffizienzförderung verfügbaren Mittel – für einen Baustandard zugesagt, der sich längst am Markt durchgesetzt hatte“, teilte das Ministerium auf Nachfrage mit.

Vertrauensverlust in die Politik

Die Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS) bezeichnete die Entscheidung deshalb als „sehr mutigen und längst überfälligen Schritt.“ Allerdings habe der Wirtschaftsminister die sinnvolle Förderung der KfW-40-Häuser und der energetischen Sanierung gleich miterledigt. Das scheine zwar „eher ein handwerklicher Fehler, wenn nicht ein pures Versehen zu sein“. Trotzdem habe es zu einem Vertrauensverlust in die Politik geführt.

Wohnen hoch drei ist zwar weiter als viele der Antragsteller. Die Baugemeinschaft hat eine Baugenehmigung und bereits begonnen, Bäume und Büsche auf dem Grundstück zu roden. Im zweiten Quartal hätte der Bau beginnen sollen. Dass die Baugemeinschaft zwar fest eingeplant hat, aber noch nicht beantragen konnte, liege „an bestimmten verwaltungstechnischen Gründen“, sagt Schneider, sprich die Stadt hat das nötige Erbbaurecht noch nicht bestellt.

Das Wirtschaftsministerium versichert, es werde die Förderung für die energetische Gebäudesanierung und ambitionierte Standards wie KfW40 möglichst schnell wieder aufnehmen. Das sei ja auch im Koalitionsvertrag vereinbart worden.

24.000 offene Anträge

Ebenso zügig werde über den Umgang mit den 24.000 bereits eingegangenen, aber noch nicht beschiedenen Anträgen entschieden. Um baureife Projekte nicht zu torpedieren, prüften Bundesregierung und KfW ein Darlehensprogramm. Damit soll auch auf etwaige Härtefälle bei privaten Bauherren nach Ende der Förderung reagiert werden.

Alle Länder stünden dazu im Kontakt mit der Bundesregierung, hieß es aus der Hamburger Stadtentwicklungsbehörde. „Wir sind guter Dinge, dass es in absehbarer Zeit eine Lösung geben wird“, sagte ein Sprecher.

Das klingt, als wären die Wünsche der Baugemeinschaft Wohnen hoch drei nicht völlig hergeholt. Aus ihrer Sicht denkbar wäre „eine Rücknahme des Förderstopps zumindest für soziale und ökologische EH40- und EH40+-Projekte oder eine Ersatz- oder Zwischenfinanzierung durch den Hamburger Senat.“

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