Yearof the
Tiger

Foto: Jim Brandenburg/Minden Pictures/plainpicture

Am Anfang war ein Wettrennen. Jadekaiser Yu Di lud alle Tiere dazu ein. Zwölf nahmen die Einladung an und versammelten sich an der Startlinie: Schwein, Hund, Hahn, Affe, Ziege, Pferd, Schlange, Drache, Hase, Tiger, Ochse und Ratte. Allein für ihr Erscheinen wollte Yu Di die Tiere belohnen und versprach, jeweils ein Jahr nach ihnen zu benennen. Die Reihenfolge sollte durch das Wettrennen bestimmt werden.

Die Strecke, die beim Wettlauf zurückzulegen war, wurde von einem großen Fluss unterbrochen, den alle Tiere überqueren mussten. Die Ratte war listig. Sie fragte den freundlichen Ochsen, ob er sie auf seinem Kopf durch das Wasser tragen würde, und nachdem sie am anderen Ufer angekommen waren, sprang sie von ihm hinunter und rannte schnell als erste durchs Ziel. So wurde sie das erste Tier im Zwölf-Jahres-Zyklus. Der Ochse wurde zweiter. Und dann kam der Tiger.

Am 1. Februar beginnt daher das neue Mondjahr im Zeichen des Tigers. Es ist das dritte im Tierkreis, der 2020 wieder von vorn angefangen hat. Zufall, dass 2020 das Jahr der Ratte und der Anfang der Pandemie war. Zufall, dass 2021, das zweite Coronajahr, im Zeichen des Ochsen stand, der für sein Durchhaltevermögen, seine Ehrlichkeit und sein genügsames, robustes Wesen bekannt ist. Und Zufall, dass uns nun das Jahr des Tigers bevorsteht. Und doch: Wenn die Ratte das Virus bringt, und der Ochse es erträgt – was tut dann der Tiger?

Tiger sind mutig und tapfer, heißt es. Und optimistisch. Vielleicht manchmal etwas zu stur, zu aggressiv, zu einzelgängerisch. Aber sie arbeiten hingebungsvoll daran, die Welt zu ­einer besseren zu machen, zumindest sagt man sich das so in der Tierkreiszeichenanalyseszene. Die ganz bodenständige Biologie wiederum weiß über den Tiger, dass er sich den unterschiedlichsten Lebensräumen anpassen kann: Sümpfe, ­Savannen, Regenwälder, Bergwälder, Schnee. Der Tiger kommt klar.

Alles Zufall, gut möglich. Weit hergeholt, vielleicht. Aber auch die Chance auf ein bisschen Zuversicht für das dritte – und vielleicht endlich letzte Jahr Pandemie. Lin Hierse