BVerfG zu Thüringer Wahlgesetz: Keine Pflicht zur Parität

Das Thüringer Paritätsgesetz ist seit 2020 außer Kraft. Einen Antrag, der das Gesetz retten sollte, hat das Bundesverfassungsgericht nun abgewiesen.

Blick in den Plenarsaal des Thüringer Landtags

Im Thüringer Landtag liegt der Frauenanteil bei ca. 30 Prozent Foto: Jacob Schröter/imago

FREIBURG taz | Das Bundesverfassungsgericht hat eine vom Thüringer Landesfrauenrat initiierte Verfassungsbeschwerde abgelehnt. Damit ist der Versuch endgültig gescheitert, in Thüringen paritätisch mit Männern und Frauen besetzte Wahllisten vorzuschreiben.

Thüringen hatte im Juli 2019 als zweites Bundesland nach Brandenburg ein Paritätsgesetz beschlossen. Da der Frauenanteil im Landtag bei nur 31 Prozent lag, sollten Wahllisten zur Landtagswahl abwechselnd mit Männern und Frauen besetzt werden.

Auf Klage der Thüringer AfD-Fraktion erklärte der Thüringer Verfassungsgerichtshof in Weimar im Juli 2020 das Paritätsgesetz jedoch für verfassungswidrig und nichtig. Das Gesetz greife zu sehr in das Recht der Parteien ein, ihre Kan­di­da­t:in­nen selbst auszuwählen. Auch das Gleichstellungsgebot der Thüringer Landesverfassung könne diesen Eingriff nicht rechtfertigen. Erforderlich wäre eine ausdrückliche Änderung der Landesverfassung.

Wenige Wochen später argumentierte das Brandenburger Landesverfassungsgericht ganz ähnlich und erklärte auch das Brandenburger Paritätsgesetz für verfassungswidrig.

Nicht willkürlich und sachfremd

In Thüringen regte sich aber Widerspruch. Der Landesfrauenrat versuchte, das Weimarer Urteil mit Hilfe des Bundesverfassungsgerichts zu kippen. Zwanzig Thüringer Bür­ge­r:in­nen erhoben eine entsprechende Verfassungsbeschwerde.

Die Thüringer Klä­ge­r:in­nen beriefen sich auf das Gleichstellungsgebot des Grundgesetzes (Artikel 3 Absatz 2) und das Demokratieprinzip (Artikel 20 Absatz 1). Das Wahlvolk bestehe aus zwei elementaren Gruppen, aus Männern und Frauen. Beide müssten paritätisch im Parlament vertreten sein.

Eine Kammer des Bundesverfassungsgerichts lehnte die Thüringer Beschwerde nun aber ab. Das Thüringer Verfassungsgericht entscheide in Wahlfragen abschließend, weil Thüringen ein eigener „Verfassungsraum“ sei. Die Auslegung der Thüringer Landesverfassung durch das Weimarer Gericht sei auch nicht willkürlich und sachfremd gewesen.

Außerdem hätten die Klä­ge­r:in­nen nicht ausreichend begründet, warum aus dem Grundgesetz eine Pflicht zu paritätischen Wahllisten folge, argumentierte das Bundesverfassungsgericht. Grundsätzlich sei davon auszugehen, dass alle Abgeordneten das gesamte Volk vertreten und nicht nur einzelne Gruppen.

Die Ampel will Wege für Parität immerhin prüfen

Die Karlsruher Ablehnung kommt nicht überraschend. Schon vor einem Jahr hatte das Bundesverfassungsgericht eine Wahlprüfungsbeschwerde ­gegen die Bundestagswahl 2017 mit ähnlicher Begründung abgelehnt. Es sei nicht ausreichend dargelegt worden, dass das Grundgesetz paritätische Wahllisten vorschreibe.

Im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP heißt es, eine Kommission zur Reform des Bundeswahlrechts werde sich auch mit „dem Ziel einer paritätischen Repräsentanz von Frauen und Männern im Parlament befassen und die rechtlichen Rahmenbedingungen erörtern“.

Nach der Wahl 2021 stieg der Frauenanteil im Bundestag um 4 Prozentpunkte auf 34,7 Prozent. Am stärksten sind Frauen in der Grünen-Fraktion vertreten (58,5 Prozent). Es folgen die Linke (53,8), SPD (41,7), FDP (23,9), CDU (23,8) und CSU (22,2). Am wenigsten weibliche Abgeordnete finden sich bei der AfD mit 13,2 Prozent.

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