Klimaschutz in Frankreich: Bei kurzen Wegen lieber gehen

Autowerbung muss in Frankreich ab März eine von drei umweltfreundlichen Botschaften enthalten. Forscher halten das Gesetz für uneffektiv.

Straße vor grünen Hügeln und blauem Himmel

Hier könnte man auch prima Fahrradfahren, so ohne Autos Foto: imago-images

BERLIN taz | Ein klarer Wintermorgen, die Sonne schimmert durch die Krone des Waldes. Daneben schwappt das ewig weite, tiefblaue Meer. Mittendrin: ein Auto. Der schwedische Autoproduzent Volvo bewirbt eines seiner Modelle mit dem Slogan: „Das Erbe der Natur bewahren“.

Volvo ist nicht der einzige Autohersteller, der seine Neufabrikate in unangetasteter Natur in Szene setzt. Volkswagen bewarb 2019 ein Modell in schneeweißer Winterlandschaft, Peugeots fuhren schon 2007 durch einsame, vernebelte Berge.

In Frankreich müssen die Autobauer solche Werbe-Idyllen ab März aufbrechen. Dann muss in Autowerbung dort stets auf umweltfreundliche Alternativen zum eigenen Pkw hingewiesen werden. Werbende müssen dabei eine von drei Botschaften verwenden: „Für den täglichen Gebrauch öffentliche Verkehrsmittel nutzen“, „Bei kurzen Wegen lieber gehen oder Rad fahren“ oder „Über Carsharing nachdenken“, lauten die Optionen übersetzt.

Die Hersteller sind außerdem verpflichtet, in den sozialen Medien einen Hashtag zu nutzen, der dafür wirbt, bei der Fortbewegung weniger zu verschmutzen. Das Gesetz gilt für Plakat- und Onlinewerbung sowie Reklame in Print, Radio und Fernsehen. Sieben Prozent der Werbefläche muss die Abbildung einnehmen oder bei Fernsehspots so lange eingeblendet werden, dass sie gut lesbar ist. Im Radio folgt die Ansage auf die Spots. Bei Nichteinhaltung droht ein Bußgeld von bis zu 50.000 Euro.

Wissenschaftler bezweifeln Effektivität der Werbung

Auch in Deutschland hätte das Verkehrswesen eine Klima-Intervention nötig. Die Treibhausgasemissionen des Sektors sind laut Bundesumweltamt seit 1995 um 21 Prozent gestiegen. Im Jahr 2020 war der Sektor für fast ein Fünftel der deutschlandweiten Emissionen verantwortlich. Die Zahlen stehen im Kontrast zu etwa dem Energiesektor, in dem die Emissionen seit 1990 rückläufig sind.

Doch wie effektiv sind schriftliche Warnhinweise für Konsument*innen? Erfahrungen gibt es von anderen Produktgruppen, bei denen es vor allem um Gesundheitsgefahren geht. In Deutschland beinhaltet Werbung für Glücksspiel seit dem Sportwetten-Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 2006 den Slogan „Glücksspiel kann süchtig machen“. Zigarettenschachteln und andere Tabakerzeugnisse müssen seit 2014 einen von 14 möglichen Sprüchen wie „Rauchen kann tödlich sein“ enthalten.

Aus der Glücksspielforschung wisse man, dass einfache Slogans wenig bis keine nachhaltige Verhaltensänderung hervorriefen, so Glücksspielsuchtforscher Tobias Hayer. Er sei kein Gegner dieser Botschaften, doch man dürfe sich nicht zu viel davon versprechen. Die Effektivität der Warnhinweise sei auch deshalb so gering, weil diese unverhältnismäßig klein seien. „Die glorifizierenden und normalisierenden Botschaften der Glücksspielwerbung stehen in keinem Verhältnis zu den kleinen und oberflächlichen Warnhinweisen“, sagt Hayer.

Effektiver wäre: Autowerbung reduzieren

Verbessern könne man die Wirkung im Umkehrschluss, indem man die Botschaften in großen Buchstaben an prominenter Stelle platziert. Auch sollte der Inhalt variieren, die Warnhinweise sollten also verschiedene Aspekte desselben Problems ansprechen. Alternativen oder Auswege sollten hingegen einheitlich gestaltet sein, sodass diese sich bei den Menschen einprägen. Die neue französische Regelung schätzt er in puncto Verhaltensänderung als eher weniger wirksam ein. Der effektivere Weg wäre es ihm zufolge gewesen, Autowerbung zu reduzieren.

Im schlimmsten Fall können die Warnungen sogar kontraproduktiv sein, warnt Marketingprofessor Volker Trommsdorff. „Aufdringliche Botschaften, die den direkten Einstellungen der Zielpersonen widersprechen, sind nicht erfolgreich“, sagt er. Aus der sozialpsychologischen und kommunikationswissenschaftlichen Forschung wisse man, dass angsterregende Kommunikation das Gegenteil von dem bewirke, was sie erreichen möchte. Diese Art der Kommunikation sei in der Anti-Raucher-Werbung lange der Standard gewesen – und gescheitert.

Das französische Gesetz werde deshalb wenig Wirkung zeigen, vermutet Trommsdorff. Im Gegenteil: Zweiseitige, beeinflussende Kommunikation sei effektiver als einseitige, so der Professor. Wenn also die Autoindustrie bislang einseitig geworben hat – „Autos sind toll“ –, dann könne zweiseitige Kommunikation – „Autos sind toll, Fahrradfahren aber auch“ – sogar von Vorteil für die Branche sein. Und damit zum Nachteil für das Klima.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.