Aktivistin über Sonderwirtschaftszonen: „Eine neue Form der Kolonisierung“

In Honduras kämpft Miriam Miranda gegen die hyperliberalen Wirtschaftszonen ZEDEs. Ihre Hoffnung ist die neue Präsidentin Xiomara Castro.

Zwei Frauen tragen Schilder auf einer Demo: Contra las ZEDES

Protest gegen die honduranische Freihandelszone in La Ceiba, Atlantida im Mai 2021 Foto: Seth Sidney Berry/imago

taz: Frau Miranda, Sie sind in Honduras seit 2012 das Gesicht des Widerstands gegen die ­ZEDEs, die hyperliberalen Sonderwirtschaftszonen für Arbeit und wirtschaftliche Entwicklung. Mit der Wahl von Xiomara Castro zur ersten Präsidentin von Honduras könnten sie fallen, richtig?

Miriam Miranda: Ja, denn die letzten Monate haben gezeigt, dass der Widerstand gegen die ZEDEs nicht nur an der Küste, sondern landesweit massiv ist. Der Tenor ist eindeutig: Die Sonderwirtschaftszonen sind unerwünscht. Das und die Ankündigung unserer zukünftigen Präsidentin Xiomara Castro, die ZEDEs annullieren zu wollen, ist positiv. Doch in der Realität ist das nicht so einfach. Die Gesetze, die der aus dem Amt scheidende Präsident Juan Orlando Hernández durch das Parlament geboxt hat, müssen erst rückgängig gemacht werden. Dafür ist eine Zweidrittelmehrheit im Parlament nötig, die Xiomara Castro nicht hat. Ein Grund, weshalb die Bauarbeiten in der am weitesten fortgeschrittenen ZEDE, der ZEDE Próspera auf der Karibikinsel Roatán, weitergehen.

ist Garifuna, eine afrokaribische Ethnie, und Koordinatorin von Ofraneh. Die Organisation kämpft seit 30 Jahren für die Rechte der Garifuna und engagiert sich gegen die Sonderwirtschaftszonen ZEDEs.

Welche Optionen hat die neue Regierung dann? Koalieren, Mehrheiten suchen?

Positiv ist, dass die Parteienallianz hinter Xiomara Castro mit dem Ziel der Annullierung der ZEDEs in den Wahlkampf gezogen ist. Das war wahlentscheidend und liefert ihr Rückenwind im Parlament. Allerdings hat Xiomara Castro nur 60 Abgeordnete hinter sich, 85 benötigt sie allerdings, und die Nationale Partei, die hinter den ­ZEDEs steht, kommt auf 44. Sie will die demokratischen Institutionen schleifen.

Wer hat etwas davon?

Die Zerstörung der demokratischen Institutionen ermöglicht die Übernahme der Macht in kleinen, neu zugeschnittenen Territorien durch eine vermögende Elite. Ob die wie in einer Monarchie auftritt oder wie in einer Oligarchie, weiß ich noch nicht. Ich weiß aber, dass die Bevölkerung vor Ort nicht gefragt wird. Wir wollen nicht dominiert werden, wir wollen ernst genommen werden und wir halten es für keine zeitgemäße Idee, dass die staatliche Verwaltung, dass staatliche Institutionen aus einem Gebiet des honduranischen Territoriums quasi ausgesperrt werden.

ZEDEs haben ein eigenes Steuersystem, eine eigene Währung, eine eigene Verwaltung – und all das mitten in Honduras. Wie kann das sein? Am Ende müssen wir Pässe vorweisen, um passieren zu können, unsere Rechte komplett abtreten, damit ein Finanzparadies nach neoliberalen Vorsätzen entstehen kann? Nein, das ist nicht möglich. Das ist eine neue Form der Kolonisierung – dagegen wehren wir uns.

Wie wirken sich die ZEDEs vor Ort aus?

Negativ, vor allem wird die Landspekulation angeheizt. Die Preise sind massiv angestiegen und sie sind ein Hebel, um die traditionell dort lebende Bevölkerung der Garífuna von ihrem traditionell genutzten Flächen zu vertreiben. In der Bucht von Trujillo, dort wo ich aufgewachsen bin, ist die Situation extrem. Dazu trägt die Tatsache bei, dass alles rund um die ZEDEs quasi geheim ist, es gibt keine Transparenz, keine Verträge, die zugänglich sind. Das ist ein Grund, weshalb wir oft auf Informationen aus dem Ausland angewiesen sind.

So zum Beispiel haben wir vom Rückzug des Tochterunternehmens der Technischen Universität München im März letzten Jahres aus der ZEDE Próspera erst aus Deutschland erfahren. Derzeit haben wir es mit mindestens drei ZEDEs zu tun, die offiziell bestätigt sind, weitere 22 ZEDEs soll es geben, die angeboten werden. Gerüchten zufolge sollen bis zu einer Million Hektar an der Karibik-Küste zu ZEDEs erklärt werden. Doch dieses Land gehört meiner Ethnie, den Garífuna – es erstreckt sich von meiner Geburtsstadt Trujillo bis zur Laguna de Iba in der Zona Visquita.

Haben Sie den Eindruck, dass die potenziellen Investoren sich gut vorbereitet haben, dass Sie wissen, wo Sie investiert haben oder es beabsichtigen zu tun?

Nein, den Eindruck habe ich nicht. Dann müsste ihnen klar sein, dass es in Honduras 2009 einen Putsch gegen einen demokratisch legitimierten Präsidenten gab, dass es danach zwei Wahlen gab, denen der Vorwurf der Wahlmanipulation anhaftet, dass hier Dutzende von Aktivist:innen, die für die Umwelt, für die Menschenrechten, für Justiz und gegen Korruption eintraten, ermordet wurden.

Honduras scheint nicht das einzige Land zu sein, wo das Modell der ZEDEs zum Einsatz kommen könnte. Wo noch?

Wir wissen, dass es in El Salvador ähnliche Zonen gibt, dass es in Afrika und ich glaube auch auf Mauritius vergleichbare Modelle geben soll.

Wie könnte die kommende Präsidentin noch gegen die ­ZEDEs aktiv werden?

Mit Verhandlungsgeschick im Parlament, in dem sie neue Allianzen schmiedet, aber naheliegender erscheint mir der Weg über ein Referendum. Angesichts des massiven Rückenwinds bei den Wahlen, der breiten Resonanz auf die Kampagnen gegen die ZEDEs und der Tatsache, dass auch etliche Unternehmer mit von der Partie waren, meine ich, dass ein Referendum eine Option ist. Das birgt Chancen, enthält aber auch Risiken.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.