Ausstellungsempfehlung für Berlin: Veritable Bildtechnik

Die Ausstellung „Mit Parallelität von Widersprüchen wird Komplexes missverständlicher“ bei Schiefe Zähne zeigt das schwer Greifbare der Realität.

Montage zweier Bilder von Matthias Groebel: Ein Mann mit Bart im rechten Bildrand; das Gesicht einer Frau mit Ponyfrisur vor blauem Hintergrund

Der Computer malt mit: Matthias Groebel, „Untitled“ (1991) und „L0593“ (1993) Foto: Courtesy Matthias Groebel and Schiefe Zähne

Wie lose Zeichen stehen die Bilder in den Räumen der Galerie – die Reproduktionen von Bertolt Brechts Arbeitsjournal, das abgebrochene, auf eine Halskette gefädelte Messer von Josefin Fischer oder Matthias Groebels teils vom Computer ausgeführte Malereien – und schallen die Geräusche von den Lautsprechern (hat da gerade nicht Joe Walsh von den Eagles einen Schrei vom Vinyl gelassen?).

Auch der Titel der Ausstellung, die Elisa R. Linn, Sophie Reinhold und Ariane Müller in der Galerie Schiefe Zähne zusammenstellten, ist eine so schöne wie irritierende Allgemeinaussage: „Mit Parallelität von Widersprüchen wird Komplexes missverständlicher“. Hier, auf den paar Quadratmetern einer wunderbar aus der Zeit gefallenen DDR-Hinterhofgarage, wird veritable Bildtechnik betrieben.

Wie bei der Montage im Film reiht die Schau Dokumente und Werke von 21 Künst­le­r:in­nen aneinander – und gegeneinander. Sie lösen jedes für sich schon eine Flut an Gedanken los. Der verlotterte Kopflose mit griechischer und deutscher Zeitung in der Hosentasche von Vlassis Caniaris etwa, lässt an die schuftenden, kaum willkommen geheißenen, griechischen Gast­ar­bei­te­r:in­nen in Deutschland denken, an die Mordanschläge des NSU, an die griechische Finanzkrise 2012 und die harte Politik der EU.

Schiefe Zähne: „Mit Parallelität von Widersprüchen wird Komplexes missverständlicher“, mit u.a. Noor Abuarafeh, Bertolt Brecht, KP Brehmer, Elisabeth Hauptmann, Genesis P-Orridge, Ronald M. Schernikau, Agnès Varda. Bis 26. 2., Mi.–Sa. 13–18 Uhr, Schliemannstr. 37

Quasi auf diesen Kopflosen blicken die Fotografien von Larry W. Cook aus dem Besuchersaal eines US-Gefängnis. Darauf kniet dann zum Beispiel ein anonymer Afroamerikaner vor dem Lexus-SUV auf einer Fototapete nieder, die den hemmungslosen Kapitalismus der USA bis an diesen Ort gesellschaftlicher Ungleichheit sendet. Die Montage all dieser Bilder schafft keine Erklärungen, sie macht nichts einfacher. Ganz im Gegenteil: sie zeigt so etwas schwer Greifbares wie Realität.

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