Abtreibungen in Polen: Im Krankenhaus gestorben

Die Zwillinge einer 37-Jährigen Polin sterben im Mutterleib, dann sie selbst. Die Ärzte bleiben untätig und berufen sich auf die geltenden Abtreibungsgesetze.

Ein schwarzer Blitz auf roter Fahne, Zeichen der Abtreibungsgegnerinnen in Polen

Protest gegen eine Verschärfung des Abtreibungsrechts am 29. Januar 2021 in Warschau Foto: Aleksandra Szmigiel/reuters

POLEN taz | In Polen ist eine weitere Frau Opfer der restriktiven Abtreibungsgesetzgebung geworden: Am vergangenen Dienstag starb Agnieszka T. nach wochenlangem Martyrium im südpolnischen Tschenstochau.

Die 37-jährige dreifache Mutter, die Zwillinge erwartete, war am 21. Dezember 2021 mit starken Schmerzen in das dortige Krankenhaus „Zur heiligen Jungfrau Maria“ eingeliefert worden. Laut Aussagen ihrer Verwandten, die in der britischen Zeitung Guardian zitiert wurden, sei sie bei vollem Bewusstsein und in guter Verfassung gewesen.

Zwei Tage später starb der erste Fötus im Mutterleib, doch die Ärzte verweigerten eine Operation. Dabei sollen sie sich auf das geltende Abtreibungsrecht berufen haben. Eine Woche später hörte das Herz des zweiten Kindes auf zu schlagen, doch es brauchte noch zwei weitere Tage, bis die Schwangerschaft endlich beendet wurde.

Die Angehörigen Agnieszkas vermuten als Todesursache einen septischen Schock, doch in einer Stellungnahme vom Mittwoch machte die Klinik dazu keine Angaben. „Das ist ein Beweis dafür, dass die Regierung Blut an ihren Händen hat“, postete die Familie der Toten auf Facebook. Mittlerweile ermittelt die Staatsanwaltschaft.

Tragischer Fall

Agnieszka T. ist nicht der erste tragische Fall dieser Art. Im vergangenen September starb eine Frau namens Izabela in der Stadt Pszczyna in der 22. Schwangerschaftswoche an einem septischen Schock. Nachdem ihre Fruchtblase vorzeitig geplatzt und obwohl abzusehen war, dass der Fötus nicht lebensfähig sein würde, hatten ihr die Ärzte sowohl einen Abbruch als auch einen Kaiserschnitt verweigert. „Wegen juristischer Gründe können sie nichts tun“, hatte die 30-Jährige ihrer Mutter in einer SMS geschrieben. Wenige Stunden später war sie tot.

Izabelas Fall hatte landesweite Proteste ausgelöst. Eine Untersuchung kam zu dem Ergebnis, dass „medizinisches Fehlverhalten zu Izabelas Tod geführt habe. Das Krankenhaus wurde zu einer Geldstrafe von 650.000 Złoty (umgerechnet rund 142.000 Euro) verurteilt.

Bereits seit Jahren hat Polen europaweit eines der strengsten Abtreibungsgesetze – was viele Po­l*in­nen zum Protest auf die Straße getrieben hatte. Doch 2021 legte die national-populistische PiS-Regierung nach. Jetzt ist ein Abbruch nur noch möglich, wenn die Schwangerschaft Ergebnis einer Vergewaltigung ist oder das Leben beziehungsweise die Gesundheit der Mutter gefährdet sind. Die Vorschrift, wonach eine Abtreibung auch bei einer schweren Schädigung des Fötus möglich ist, wurde gestrichen.

Im Dezember 2021 kündigte die Regierung überdies an, Schwangerschaften in einem Zentralregister erfassen zu wollen, auf das auch die Staatsanwaltschaft sowie die Geheimdienste Zugriff haben sollen. Frauenrechtsgruppen sehen darin einen weiteren Versuch der Regierung auf dem Weg hin zu einer totalen Kon­trolle der Geburtenpolitik.

Laut Angaben von Frauenrechtsgruppen wurden in Polen jährlich rund 1.000 legale Abtreibungen registriert. In 98 Prozent der Fälle wies der Fötus schwerste Missbildungen auf. Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes am 27. Januar 2021 hätten 34.000 Frauen einen Abbruch vornehmen lassen, wobei Hunderte zu diesem Zweck auch ins Ausland gereist seien.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.