Leben
und
Sterben
in
L. A.

Foto: Robert Gauthier/Los Angeles Times/getty images

Wären die Aufnahmenein paar Kilometer weiter, in Holly­wood, entstanden, hätten sie 1A-­Footage für einen zünftigen Katastrophenfilm abgegeben. Ein Gleisbett, übersät mit zerpflückten, zerfetzten und zerrupften Kartons, überall liegt Zeug herum, mehrere Hundert Meter entlang der Bahn­strecke. Handys, Covid-19-Schnelltests, Powerbanks, Spielzeug, Designerklamotten. Aufgeweichte Pappe, Plastik, Styropor, so weit das Auge reicht.

Die Bilder entstammen keinem Katastrophenfilm, sie wurden vergangenes Wochenende aufgenommen im Viertel Lincoln Heights in Los Angeles. Dort wurden reihenweise Waggons und Container geplündert, in denen UPS, Amazon und FedEx ihre Pakete transportierten. Diese sehr spezielle Art des Containerns hat in den USA seit Beginn der Pandemie massiv zugenommen. Die Eisenbahngesellschaft Union Pacific, führend im Güterverkehr des Landes, meldete zuletzt 90 beschädigte Container – täglich.

Der perfekte Dünger für spontane Container-Exzesse ist wohl die Pandemie. Die Kriminalität sei in Lincoln Heights während Corona gestiegen, erzählte ein Polizist aus L. A. der New York Times, er sprach von einem „storm of crime with Covid“. Dazu passt, dass die Ungleichheit in den USA zugenommen hat; genau wie die Zahl der Menschen, die unterhalb der Armutsgrenze leben, viele haben finanzielle Sorgen. Spitzenreiter in der Armutsliga unter den Bundesstaaten ist übrigens Kalifornien.

Die Fotos aus L. A. bilden das Wildweststadium, das der immer weitermachende Kapitalismus während dieser Pandemie erreicht hat, denkbar treffend ab. Auch die Reaktionen sprechen im Übrigen für sich. Union Pacific will jetzt Barrieren errichten und die Waggons mit Sicherheitspersonal besser sichern. Vielleicht auch mit Drohnen.

Am besten wäre es natürlich, bald alle Güterzüge so gut gesichert wie Castortransporte durch die USA rollen zu lassen. Oder einfach alle Güterstrecken einzumauern. Damit wäre das Problem dann sicherlich gelöst. Jens Uthoff