Niedriglöhne und Arbeitsmarkt: Sortierer leben bescheiden

Fast ein Fünftel der Vollzeitbeschäftigten verdient weniger als 1.580 Euro netto – oft in der privaten Dienstleistung. Der Ausländeranteil ist hoch.

Sortierer am Fließband von Amazon

Harte Arbeit für wenig Gel­d: am Fließband von Amazon Foto: Christoph Reichwein/imago

BERLIN taz | Mit diesem Einkommen muss man hart rechnen, auf vieles verzichten und kann kaum sparen: Mit monatlich 2.284 Euro brutto oder weniger für einen Vollzeitjob muss fast ein Fünftel der Vollzeitbeschäftigten in Deutschland auskommen. „Darunter sind viele Tätigkeiten in der privaten Dienstleistung, die keine dreijährige anerkannte Berufsausbildung erfordern“, sagt Eric Seils, Sozialexperte am WSI-Institut der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung.

Seils ist Co-Autor einer Studie zur Entwicklung des „unteren Entgeltbereichs“. Die Schwelle von 2.284 Euro brutto definiert zwei Drittel des mittleren Monatslohns, 18,7 Prozent der Vollzeitbeschäftigten liegen darunter. Teilzeitarbeitende sind aus Vergleichsgründen in dieser Rechnung nicht enthalten. Für eine alleinstehende Person ergibt dies einen Netto-Monatslohn von weniger als 1.585 Euro.

Laut der Erhebung haben Vollzeitbeschäftigte in der Zeitarbeit, im Hotel- und Gaststättengewerbe, in der Forst- und Landwirtschaft, in wirtschaftlichen Dienstleistungen Monatseinkommen im niedrigen Bereich, Frauen eher als Männer. Schaut man in die Statistik der Bundesarbeitsagentur mit Zahlen von Ende 2020, auf die sich die WSI-Forscher:innen beziehen, finden sich die bescheidenen Einkommen unter Reinigungskräften, wo 66 Prozent der Voll­zeit­e­r:in­nen nicht über die Niedrigschwelle kommen, im Gastgewerbe sind es 64 Prozent.

Unter Post- und Paketboten und in der Lagerwirtschaft bleiben 40 Prozent im Niedrigbereich, bei Lkw-Fahrer:innen sind es 35 Prozent, bei Al­ten­pfle­ge­hel­fe­r:in­nen 25 Prozent. Wer eher in östlichen Regionen lebt, eher im Kleinbetrieb arbeitet als im Großunternehmen, eher auf dem Land wohnt als in der Stadt, verdient tendenziell weniger.

Vier Millionen Ge­ring­ver­die­ne­r:in­nen

Auffällig ist die Entwicklung bei den Ausländer:innen. Insgesamt ist der prozentuale Anteil der Be­schei­den­ver­die­ne­r:in­nen unter Vollzeitkräften in den vergangenen Jahren nämlich etwas zurückgegangen, was der insgesamt guten Beschäftigungsentwicklung geschuldet ist. Die absolute Zahl blieb von 2014 bis 2020 in etwa gleich, rund vier Millionen Vollzeitbeschäftigte arbeiten im Bereich der unteren Entgelte. Aber: „Der Anteil der Ausländer am unteren Entgeltbereich hat deutlich zugenommen“, sagt Seils. Vor sieben Jahren zählte die Statistik noch 586.000 Ausländer im unteren Verdienstbereich, im Jahr 2020 hatte sich die Zahl auf 1.060.000 fast verdoppelt.

In Werbeanzeigen der Zeitarbeitsfirma Randstad auf Facebook, mit denen diese Personal für ihren Kunden Amazon sucht, fällt auf, dass als „Sortierer“ und „Versandmitarbeiter“ meist Personen mit Migrationshintergrund gezeigt werden.

Man adressiert offenbar bestimmte Gruppen für diese Anlerntätigkeiten, für die nicht zwingend Deutschkenntnisse erforderlich sind. Bei Amazon reichen für viele Tätigkeiten im Lager Englischkenntnisse aus. Auch Randstad wirbt mit der „Vielfalt“ im Unternehmen. In Helfertätigkeiten aber „ist das Risiko groß, dass man in den unteren Entgeltbereichen arbeitet“, sagt Seils. Laut der WSI-Studie liegt der Anteil der Ge­ring­ver­die­ne­r:in­nen unter den Ungelernten bei gut 40 Prozent, unter den Beschäftigten mit anerkanntem Berufsabschluss nur bei 18 Prozent, unter Aka­de­mi­ke­r:in­nen bei fünf Prozent.

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