Unentschieden gegen Hertha BSC: Wolfsburg sucht das Gute

Der VfL Wolfsburg kämpft gegen den Abstieg aus der Fußballbundesliga. Langsam wird es auch für Trainer Florian Kohfeldt eng.

Nahaufnahme von Florian Kohfeldt

Trainer beim VfL Wolfsburg: Florian Kohfeldt Foto: Swen Pförtner/dpa

WOLFSBURG taz | Ein naheliegender Kerngedanke des Fußballs besteht darin, dass der Trainer schuld am Misserfolg ist. Da ist was dran, aber es ist auch oft weniger Gedanke als vielmehr Reflex oder schlicht Mangel an alternativen Erklärungen. Im Falle des Wolfsburger Cheftrainers Florian Kohfeldt, 39, drängt sich manchen zunehmend diese Erklärung auf, aber genau weiß man es halt doch nicht. Jedenfalls ist das 0:0 gegen Hertha BSC Berlin vom vergangenen Wochenende der erste Punkt nach acht Pflichtspiel-Niederlagen, davon sechs in Folge in der Bundesliga.

Der VfL, gerade noch stolzer Champions-League-Teilnehmer, spielt gegen den Abstieg, und je stärker man betont, dass so ein hochqualifizierter Kader mit einem Abstieg nichts zu tun haben dürfte, desto wahrscheinlicher wird er.

Die Wolfsburger haderten mit einem nicht gegebenen Strafstoß, die Herthaner mit einem zurückgepfiffenen Kopfballtor, aber in der Summe hätte der VfL das Spiel gegen die über weite Strecken noch mauere Hertha gewinnen müssen. Wenn er seine Großchancen genutzt hätte.

Das betrifft speziell Luca Waldschmidt. Der von Benfica Lissabon gekommene Flügelstürmer gilt als hoch veranlagt, war zwischenzeitlich auch mal Nationalspieler, kommt aber beim VfL bisher nicht in Tritt. „Zwei bis drei extremst klare Torchancen“, zählte Kohfeldt, „mit der Tendenz zu drei.“

Trommel sorgt für Atmosphäre

Immerhin spielte der VfL mit ein paar gelungenen Kombinationen, meist über den linken Bahnenspieler Jérôme Roussillon, diese Chancen überhaupt heraus. Das war zuletzt gar nicht mehr der Fall. Vom „dominanten Tempo- und Kombinationsfußball“, den Kohfeldt anstrebt, kann man aber beim besten Willen nicht sprechen.

Ein gern gemachter Scherz auf Kosten der Arbeiterinnen und Arbeiter von Wolfsburg besagt, dass die fehlende Stadionatmosphäre hier keiner pandemische Vorschrift geschuldet sei, sondern Normalzustand. Das ist üble Nachrede und der dahinter stehende Vorwurf, es fehlten die Massen „wahrer“ Fans, ignoriert die Realität: Dass es einfach eine Vielfalt unterschiedlicher Fußball- und Fankulturen gibt und nicht eine genetisch oder kulturell determinierte Fußballfanidentität.

Mit 500 Leuten war es jedenfalls auch in der VW-Arena ein ganz anderes Erlebnis, bei dem eine große Trommel auf der Gegengerade und die von ihr erzeugten Halle den Rhythmus vorgaben. Wenn Kohfeldt in seiner Coaching-Zone rumtigerte und dabei Anweisungen rief, dann hörten ihn die Spieler wirklich; alle im Stadion hörten ihn. Es nutzte nur nichts.

Wie steht es nun also um den VfL? Nicht gut. Nach 2009 und 2015 könnte nach einer mehrjährigen Aufbauphase direkt nach dem großen Erfolg alles wieder zusammenfallen. Im Sommer noch schien es, als greifte langsam ein Rädchen ins andere, hätte man endlich den zuvor fehlenden Speed im Team, die Balance zwischen Offensive und Defensive und dank Transferinvestition von 50 Millionen Euro den notwendigen tiefen Kader für mehrere Wettbewerbe.

Abstiegsreifer Punkteschnitt

Das Neue sollte – neben dem Liga-Standard Umschalt­spiel – die zusätzliche Variante Ballbesitzfußball sein, mit dem man gegen formierte Defensiven Chancen herausspielen kann, ohne selbst in Konter zu laufen. Es ist die Königsdisziplin des modernen Fußballs. Damit hat man sich, zumindest bis auf Weiteres verhoben.

Wie immer kommt vieles zusammen und potenzieren sich die Kollateralschäden von Misserfolg, aber vielleicht macht der langfristige Ausfall von Xaver Schlager wirklich einen beträchtlichen Unterschied, weil der österreichische Sechser in beide Richtungen der Schlüsselspieler ist.

Den richtigen Trainer zu erwischen, ist bei aller Sorgfalt immer auch Glücksache. Und irgendwann ist auch der Richtige nicht mehr der Richtige. Es sei denn, man hat Christian Streich.

Aber nachdem Geschäftsführer Jörg Schmadtke mit Mark van Bommel als Nachfolger des supererfolgreichen Oliver Glasner auch aus eigener Sicht schwer daneben lag, würde es sich für den Chef nicht gut machen, wenn er mit einer Entlassung des erst Ende Oktober verpflichteten Kohfeldt offiziell machen müsste, erneut daneben zu liegen.

Der Punkteschnitt des Neuen ist bisher abstiegsreif, aber man muss jetzt das Gute sehen. Der Punkt vom Wochenende, sagt Teammanager Marcel Schäfer, sei „ein winzig kleiner Schritt in die richtige Richtung“. Wie man in so einer Lage immer sagt, kann Florian Kohfeldt die Bälle ja nicht selbst reinschießen, die Waldschmidt und Weghorst hätten reinmachen müssen. Aber eines Tages ist ein Trainer auch daran schuld.

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