Bildung in Sambia: Auch kostenlose Schulen kosten Geld

Sambias neuer Präsident Hichilema macht nach den Grundschulen auch die Oberschulen kostenlos. Warum sind sie dann immer noch geschlossen?

Eine Schülerin mit Unterrichtsmaterial in einm Klassenraum

Bisher war das Lernen für sie kostenpflichtig: Oberschülerin in Lusaka, Sambia Foto: Martin Mbangwets/Xinhua/imago

LUSAKA taz | Die Einführung kostenloser Grund- und Oberschulbildung müsste für das bitterarme Sambia ein Meilenstein sein – aber so kurz nach den sehr angespannten Wahlen von 2021, die Präsident Hakainde Hichilema an die Macht brachten, sorgt dieser Reformschritt für erneute politische Polarisierung.

Bisher sind in Sambia nur Grundschulen kostenlos; Oberschüler zahlen pro Jahr 600 Kwacha (30 Euro) Schulgebühr, im Internat das Sechsfache. Dazu gibt es Elternbeiträge und Prüfungsgebühren. Viele Familien können das nicht zahlen, und 55 Prozent der Menschen in Sambia sind Analphabeten.

Auch die kostenlosen Grundschulen sind nicht besonders effektiv: Laut Erhebungen im Jahr 2018 können 65 Prozent aller sambischen Schulkinder kein einziges Wort eines ihnen vorgelegten Textes flüssig lesen; Zweitklässler entzifferten bei den Tests ausnahmslos weniger als neun Worte pro Minute, manche nur ein oder zwei. Über die Hälfte der Schulkinder verlässt die Grundschule ohne Abschluss.

Sambia brauche „sofortiges Handeln, um unser Bildungssystem wieder auf anerkannte internationale Standards zu bringen“, erklärte Präsident Hichilema also bei seiner Antrittsrede vor dem Parlament im vergangenen September und kündigte an: Schulen werden auf allen Ebenen kostenlos, sämtliche Gebühren werden abgeschafft. Bildung, Wissenschaft und Berufsausbildung seien Mittel zu mehr sozialer Gleichheit, so Hichilema.

Der IWF-Kredit macht's möglich

Im sambischen Staatshaushalt für 2022, dem ersten der neuen Regierung, stieg der Bildungsetat um 31 Prozent gegenüber dem Vorjahr: auf 18 Milliarden Kwacha (910 Millionen Euro), über ein Zehntel des 173 Milliarden Kwacha umfassenden Gesamthaushalts. Finanzminister Situmbeko Musokotwane kündigte den Bau von 120 neuen Oberschulen und die Einstellung von 30.000 zusätzlichen Lehrkräften an.

„Universal Free Education“ war ein zentraler Punkt im Wahlprogramm von Hichilemas Partei UPND (Vereinigte Partei für Nationale Entwicklung) bei der Präsidentschaftswahl vom August 2021 gewesen.

Offen blieb, wie Sambia sich das angesichts seiner schweren Wirtschaftskrise infolge der Covid-19-Pandemie leisten könnte – das Land hängt ökonomisch vom Kupferexport ab und wurde im November 2020 als erstes Land Afrikas während der Pandemie zahlungsunfähig. Im Jahr 2020 schrumpfte Sambias Wirtschaft um 3 Prozent – 2021 wuchs sie um nur 1 Prozent, und auch für das laufende Jahr 2022 prognostiziert der Internationale Währungsfonds (IWF) nur 1,1 Prozent, pro Kopf also eine ständige Schrumpfung.

Doch im Dezember erhielt Sambia einen dringend benötigten IWF-Kredit in Höhe von 1,4 Milliarden US-Dollar – ein Erfolg für Präsident Hichilema, nachdem sein Vorgänger Edgar Lungu sich mit internationalen Geldgebern zerstritten hatte. Der tatsächlichen Einführung allgemeiner kostenloser Bildung ab dem 10. Januar, Ende der Sommerferien in dem Land des südlichen Afrika, schien nichts mehr im Wege zu stehen.

Verzögerung politisch gewollt?

Aber bis heute ist nichts zu sehen – weil die Schulen alle noch geschlossen sind. Das liegt an der vierten Coronawelle, erklärte Bildungsminister Douglas Siakalima und kündigte den 24. Januar als neuen Start des Schuljahres an. Bis dahin könnten mehr Schulkinder geimpft werden, sagte er; in Sambia sind Impfungen für alle ab 12 Jahren vorgesehen.

Doch die Opposition sagt, Corona sei nur ein Vorwand und die Regierung sei einfach nicht in der Lage, ein unfinanzierbares Wahlversprechen einzulösen. Der ehemalige Minister Bowman Lusambo behauptete, das Schulprogramm sei überhaupt nicht fertig: „Keiner einzigen Schule in Sambia sind Finanzmittel zur Verfügung gestellt worden“, erklärte er und fügte hinzu: „Präsident Hichilema scheint zu denken, ein öffentliches Bildungssystem lässt sich so einfach leiten wie eine Farm“ – Präsident Hichilema gilt als zweitreichster Viehzüchter Sambias.

„Die Schulen nicht zu finanzieren und gleichzeitig Nutzungsgebühren abzuschaffen wird unser Bildungswesen lediglich lächerlich machen“, so Lusambo weiter. Vielleicht rein zufällig wurde Lusambo vergangene Woche unter Korruptionsvorwürfen verhaftet.

Die oppositionelle PF (Patriotische Front), die Sambia bis zu Hichilemas Wahlsieg 2021 regierte, äußerte präzisere Kritik. Die Regierung habe 324 Millionen Kwacha (16,5 Millionen Euro) zur Finanzierung der kostenlosen Schulbildung im ersten Quartal 2022 bereitgestellt, aber das seien gerade mal 1.500 Euro pro Schule. „Das ist ein Witz“, sagte PF-Sprecher Antonio Mwanza. „Dies kompromittiert die Qualität der Bildung.“

Die Regierung ist von ihrem Erfolg überzeugt. Diese Woche hat die Regierungspartei UPND „Kostenlose Bildung von Klassen 1 bis 12“ auf eine Liste mit 21 „Errungenschaften“ Hichilemas seit seinem Amtsantritt gesetzt. „All dies wurde in vier Monaten umgesetzt. Was kommt noch in fünf Jahren?“, fragte die Partei ironisch.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.