Paritätische Wahllisten: Ausgebremste Symbolik

Paritätsgesetze scheitern regelmäßig am Bundesverfassungsgericht. Doch ob sie zu mehr Gleichheit führen, ist ohnehin umstritten.

Frauen mit rosa Regenschirmen und Schildern: "50/50" und " Pariteé tur nicht weh"

Demonstration für eine Paritätsregelung vor dem Verfassungsgerichts in Thüringen im Juli 2020 Foto: Martin Schutt/picture alliance

Der Wind hat sich gedreht. Noch vor einigen Jahren schien es nur eine Frage der Zeit zu sein, bis es in vielen Bundesländern und auch bei Bundestagswahlen quotierte Wahllisten gibt, abwechselnd besetzt mit Frauen und Männern. Doch die ersten beiden Gesetze in Thüringen und Brandenburg wurden sofort von den jeweiligen Landesverfassungsgerichten kassiert. Und auch das Bundesverfassungsgericht sendet eher entmutigende Signale.

Die Karlsruher Rich­te­r:in­nen haben nun in Bezug auf Thüringen erneut deutlich gemacht, dass aus dem Grundgesetz zumindest keine Pflicht zu einer paritätischen Besetzung von Wahllisten abzuleiten ist. Auch ein paritätisches Bundeswahlgesetz würde wohl für nichtig erklärt, weil der Eingriff in die Parteienfreiheit nicht gerechtfertigt ist.

Nun könnte man versuchen, das Grundgesetz entsprechend zu ändern. Dafür wäre aber eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich und die fehlt, weil CDU/CSU und AfD solche Regelungen bisher entschieden ablehnen.

Es ist eher zu fragen, ob Paritätsgesetze angesichts dieser ungünstigen Rahmenbedingungen weiterhin mit viel Aufwand verfolgt werden sollten. Vermutlich wäre es sinnvoller, sich auf die Kandidatenaufstellung der fortschrittlichen Parteien zu konzentrieren. Für Frauenanliegen dürfte es mehr bringen, viele Feministinnen aus SPD, Grünen, Linken und FDP im Parlament zu haben, als die AfD zu paritätischen Listen zu zwingen. Mehr Alice Weidel und mehr Beatrix von Storch im Bundestag bringt die Sache der Frauen nicht unbedingt voran.

Die Bedeutung der Wahllisten wurde in der bisherigen Diskussion ohnehin überschätzt. In den meisten deutschen Parlamenten wird nur die Hälfte der Sitze über Wahllisten vergeben und die andere Hälfte über Direktmandate im Wahlkreis. Paritätische Wahllisten garantieren also gar nicht, dass auch die Landtage und der Bundestag am Ende paritätisch besetzt sind. Es ging bei den Paritätsgesetzen also doch mehr um die Symbolik auf dem Wahlzettel als um das Resultat im Sitzungssaal.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.