Volksentscheid Berlin autofrei: Fragt sie nicht, warum

Die Initiative „Berlin autofrei“ hat ihren Gesetzentwurf entschärft: Eine Pflicht zur Begründung privater Pkw-Fahrten ist darin nicht mehr enthalten.

Verwischte Autolichter auf nächtlicher Straße

Nicht schön, nur schön bunt: Berlin ist alles andere als autofrei Foto: dpa

BERLIN taz | Die Initiative „Berlin autofrei“ setzt mit einem abgemilderten Gesetzentwurf darauf, mehr Menschen für ihr Ziel zu gewinnen, um einen möglichen Volksentscheid im Jahr 2023 für sich zu entscheiden. An der ursprünglich vorgesehenen Regelung, dass private Autofahrten nur noch mit einer inhaltlichen Begründung möglich sein sollten, habe es zwar auch rechtliche Bedenken gegeben, so Sprecherin Nina Noblé zur taz. Im Vordergrund stehe aber die Angemessenheit gegenüber den NutzerInnen. Leicht sei der Initiative das trotzdem nicht gefallen: „Wir haben da mit uns gerungen.“

Die Initiative hat ein Gesetz erarbeitet, das den privaten Autoverkehr in der Berliner Innenstadt massiv einschränken würde. Grundsätzlich dürften nur noch Wirtschaftsverkehr, ÖPNV und Einsatzfahrzeuge motorisiert unterwegs sein, Ausnahmen gäbe es beispielsweise für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen. Eine private Nutzung wäre nur noch 12-mal im Jahr pro Person möglich.

Letzteres sollte eigentlich auch im Einzelfall begründet werden müssen – etwa mit einem Möbeltransport oder einer Urlaubsreise. Diese Pflicht zur Begründung hat die Initiative nun vor Kurzem aus dem Text entfernt – in Absprache mit der Senatsinnenverwaltung, die den Entwurf derzeit auf seine rechtliche Zulässigkeit hin prüft.

Nein, danke Die FDP lehnt eine generelle Einführung von Tempo 30 auf Berlins Straßen ab. „Gerade auf gut ausgebauten Straßen gibt es dafür keine Gründe“, erklärte der verkehrspolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Felix Reifschneider, am Mittwoch. „Für die Verkehrssicherheit wäre viel wichtiger, wenn in bestehenden Tempo-30-Bereichen das Tempolimit effektiv kontrolliert wird. Hier gibt es nachweislich die größten Defizite“, meinte der Politiker.

Ja, bitte Reifschneider reagierte auf die von Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) geäußerte Idee, einer Initiative des Städtetages für mehr Tempo 30 beizutreten. Die Initiative fordert den Bund auf, den Kommunen die Anordnung von Tempo 30 dort zu ermöglichen, wo sie es für notwendig halten. Jarasch prüft eine Senatsvorlage, damit Berlin bei der Initiative mitmacht. Auch Initiativen wie „Berlin autofrei“ fordern flächendeckend Tempo 30. (dpa, taz)

Nach der Sammlung von mehr als 50.000 Unterschriften für den Antrag auf ein Volksbegehren im August hatte ein Sprecher der taz noch gesagt, in der Notwendigkeit, den Grund für eine Fahrt zu benennen, liege gerade der „Kniff“ des Gesetzes: Es sei „ein völlig neues Herangehen in der Verkehrsdebatte“. Auch werde dadurch kein bürokratisches Monster geschaffen, wie von KritikerInnen befürchtet, denn es stehe den Behörden frei, die tatsächliche Zulässigkeit stichprobenartig zu überprüfen. „Losfahren“ könnten die NutzerInnen also auch so.

Laut Noblé hatten die Freiwilligen der Initiative beim Unterschriftensammeln aber auch viele skeptische Rückmeldungen bekommen: Den Menschen Kontrollen zuzumuten, bei denen sie nachweisen müssten, dass sie nun wirklich gerade in den Urlaub fahren, „das erschien uns dann doch ein bisschen vermessen“. Auch einen Missbrauch dieser Regelung kann sich die Sprecherin vorstellen: „Vielleicht hat die Person dann halt immer einen Schrank im Kofferraum.“ Und obwohl die Initiative davon ausgeht, dass ihr Entwurf eindeutig verfassungskonform ist, erschien die Begründungspflicht den AktivistInnen offenbar doch zu leicht angreifbar.

Maximal zwei Monate Verzug

Ein Legitimitätsproblem sieht Noblé durch die nachträgliche Anpassung nicht – auch wenn die Unterschriften nun streng genommen für eine veraltete Version geleistet wurden: Es handele sich ja nicht um eine grundlegende Änderung. In Kauf nehmen muss die Initiative, dass die Senatsinnenverwaltung nun eigentlich bis Anfang März Zeit hat, ihre Prüfung abzuschließen, zwei Monate später als geplant.

Dann liegt der Entwurf für vier Monate im Abgeordnetenhaus, das über ihn beraten kann. Lehnt es ihn ab und gibt es auch keine Kompromisslösung mit der Initiative, kann „Berlin autofrei“ mit der „großen“ Unterschriftensammlung beginnen. Dann müssen innerhalb von vier Monaten rund 175.000 BerlinerInnen das Volksbegehren unterzeichnen.

Obwohl die Innenverwaltung sich in der Vergangenheit nicht darin auszeichnete, Fristen zu unterlaufen, ist die Initiative laut Nina Noblé „guten Mutes“, dass es schon im Februar weitergeht: „Die Prüfung war ja im Großen und Ganzen schon abgeschlossen.“ Man habe der Senatsverwaltung auch bereits mit Vorlauf angekündigt, den ursprünglichen Entwurf nachbessern zu wollen.

Nina Noblé, Sprecherin der Initiative „Berlin autofrei“

„Wir haben da mit uns gerungen“

Um im Juni oder Juli die Unterschriftensammlung starten zu können, werde man schon jetzt damit anfangen, weitere Stadtteilgruppen aufzubauen. Es gehe außerdem darum, das Thema weiter zu etablieren und den SkeptikerInnen die Vorteile einer „autoreduzierten Stadt“ klarzumachen. „Wir wollen mit dieser Vision alle mitnehmen.“

Die politische Richtung der für Mobilität zuständigen Verwaltung von Senatorin Bettina Jarasch (Grüne) begrüße man und hoffe auf den notwendigen Ausbau von Nahverkehr und Radinfrastruktur. Auch die Schaffung verkehrsberuhigter Kiezblocks sei richtig. Aber, so Noblé: „Auch Menschen, die an großen Straßen leben, sollen an einer menschenfreundlichen Stadt teilhaben.“ Klar sei auch: „Wir haben klare rote Linien festgelegt.“ An eine Verhandlungslösung mit der Politik glaube „Berlin autofrei“ eher nicht.

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