brief des tages
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„Dat du min Leevsten büst, dat du woll weeßt“

„Wenn Kook und Leev die Welt verlassen“, taz vom 4. 1. 22

Ja, es wäre eine geistige und psychische Verarmung des Lebens, wenn auch die Plattdeutsche Sprache „die Welt verlassen“ würde, wie Nele Sophie Karsten in ihrem Beitrag besorgt feststellt. Mein mecklenburgischer Vater sprach meiner rheinischen Mutter wegen zu Hause Hochdeutsch. Plattdütsch entdeckte ich für mich auf der Straße, bei den Nachbarn, in den Läden, in der Kirche. Ich verstand diese fremde Sprache immer besser. Sie gefiel mir. Vor allem Lieder und Gedichte verrieten mir die tiefe seelische Kraft dieser Sprachbilder, ja der Sprachklänge. Wie bei Storms „Över de stillen Straten“ oder im Volkslied „Dat du min Leevsten büst“. Aber wie können wir unseren Kindern, Enkeln, uns selbst die gefährdete Sprache bewahren? Vielleicht, indem wir sie benutzen? Seit Corona lesen meine Enkelin, 10, und ich, 73, uns gegenseitig Märchen vor, oft am Telefon. 1955 brachte der Kinderbuchverlag Berlin in erster Auflage den Band „Kreuzbube Knud und andere Mecklenburgische Märchen“ heraus: eine Fundgrube an Texten in Platt- und Hochdeutsch und in einem Mix beider Sprachen. Beate Stemmler, Berlin