Beef um Milchproduktion: Muuuhhh

Gleich neben einem kleinen Dorf in Spanien soll die größte Rinderfarm Europas entstehen. Das will ein Teil der Anwohner verhindern.

Montse García und Armando Pérez vor einem Feld, auf dem die größte Rinderfarm Europas entstehen soll

Montse García und Armando Pérez wollen keine Massen­tierhaltung vor der Haustür Foto: Reiner Wandler

Ställe, überall sollen überall Ställe gebaut werden, „Selbst der Fahrweg wird verschwinden“, sagt Armando Pérez Ruiz und lässt seinen Blick über die weite Landschaft schweifen. „Die haben mittlerweile 900 Hektar Land aufgekauft“, fügt er dann hinzu.

Mit „Die“ meint er das Unternehmen Valle de Odieta aus dem nordspanischen Navarra, das hier im Dorf Noviercas eine Milchproduktion hochziehen will, wie es sie in diesem Ausmaß sonst nirgends in Europa gibt. 23.520 Milchkühe sollen zwei Kilometer außerhalb des Ortes in 120 Hektar großen Stallungen gehalten und gemolken werden. 120 Hektar, das ist mehr als die Hälfte des Berliner Tiergartens, rund ein Viertel des Wiener Praters.

„Das ist keine Rinderfarm, das ist eine Fabrik“, sagt Pérez. Der 54-jährige Landwirt, der vom Getreideanbau lebt, glaubt daran, dass Noviercas nur eine Zukunft hat, wenn in Nachhaltigkeit und kleine Unternehmen investiert wird. Eine „Makro-Rinderfarm“ – die größte in Europa und die Nummer Fünf weltweit – passt nicht in sein Bild vom Land- und Dorfleben. Anders als viele andere im Ort hat er deshalb auch kein Land verkauft.

„Die kommen hier her, weil sie glauben, dass sie nicht auf Widerstand stoßen“, sagt Pérez’ Ehefrau Montse García. Die 56-Jährige lebt von saisonalen Jobs in Museen und anderen Sehenswürdigkeiten in Soria, der am dünnsten besiedelten Region Spaniens, die im Norden des Landes liegt. In Noviercas selbst sind 155 Menschen gemeldet. Das ganze Jahr über wohnen allerdings gerade mal 80 hier.

368.000 Tonnen Exkremente jährlich

Pérez und García sind Pioniere, gleich in mehrfacher Hinsicht. „Wir waren 1980 das erste junge Paar, das nicht in Städte wie Soria, Madrid, Saragossa oder Barcelona abwanderte, sondern im Dorf ein Auskommen suchte“, sagt García. Ihre drei Töchter waren die ersten Kinder seit Langem. Inzwischen leben wieder mehr junge Paare im Ort, die Entvölkerung ist gestoppt.

„Wir waren außerdem die Ersten, die sich gegen die Riesen-Rinderfarm wehrten“, sagt Pérez, „aber mittlerweile sind wir nicht mehr allein.“ Gründe, dagegen zu sein, gebe es – „abgesehen vom Tierschutz“ – mehr als genug.

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Eine solche Farm braucht so viel Wasser wie eine Kleinstadt mit rund 16.000 Einwohnern. Zudem würde sie jährlich 574.200 Tonnen CO2 ausstoßen, so viel wie 122.000 Autos. Geplant ist auch ein 70.000 m² großes und acht Meter tiefes Jauchebecken. „Sie versprechen, all das zu reinigen, aber bei solchen Mengen ist das nur schwer vorstellbar“, sagt Pérez, der um das Grundwasser fürchtet. Hinzu kommt der Mist.

Die Menge an Exkrementen würde sich auf 368.000 Tonnen pro Jahr belaufen, fast so viel, wie in Spaniens größten Städten Madrid und Barcelona zusammen anfällt. All diese Zahlen hat die Umweltorganisation Greenpeace berechnet.

Besser schweigen, wenn die Presse kommt

Trotz dieser Daten sind die Gegner im Ort in der Minderheit. Das zeigt das Ergebnis der letzten Gemeinderatswahlen im Jahr 2019. Knapp ein Drittel wählte die Unabhängige Liste, die sich klar gegen die Farm positioniert hatte. Aufgrund des spanischen Wahlrechts haben die Unabhängigen, auf deren Liste auch Pérez stand, allerdings nur einen Gemeinderat stellen können. Die konservative Partido Popular, mit etwas mehr als zwei Drittel der Stimmen, stellt den Bürgermeister und drei weitere Gemeinderäte.

Von den Befürwortern des Bauprojekts will kaum einer Rede und Antwort stehen. So etwa hier in der Garage, wo sie landwirtschaftliche Geräte reparieren. Hier sind alle für die Riesenfarm, haben Äcker verkauft, das weiß jeder im Ort. Doch darauf angesprochen, sagt einer nur: „Manchmal ist es besser, zu schweigen, wenn die Presse kommt.“ Er dreht sich weg. Nur Juan Manuel, der seinen Nachnamen nicht nennen will, bleibt stehen.

„Das Thema hat das Dorf entzweit, darum ist es besser, nicht allzu viel zu reden“, sagt er. Er selbst habe „ein paar weit abgelegene Äcker“ verkauft. Die Ländereien, von denen er lebt, gehören seiner Frau. Sie kommt aus Noviercas. Doch das Paar hat noch nie hier gewohnt. „Wir leben in Soria, eine halbe Autostunde entfernt“, sagt Juan Manuel – und dreht sich dann ebenfalls weg.

Auch die Gemeinderäte leben nicht im Dorf. Sie sind alle hier gemeldet, verbringen aber nur einzelne Wochen­enden und längere Ferien in den Häusern, die von jeher ihren Familien gehören. So wohnt auch Bürgermeister Pedro Jesús Millán Pascual im anderthalb Autostunden entfernten Saragossa. Er kommt immer dienstags nach Noviercas, um seine Amtsgeschäfte zu erledigen und Kontakte zu pflegen. Mit Pérez und García tauscht er nicht einmal mehr ein „Buenos días“.

Millán Pascual befürwortet ebenso wie die Provinzverwaltung und die Regionalregierung von Castilla y León die riesige Milchkuhfarm. Auf die Frage, was er sich davon verspreche, sagt er: „Ich gebe keine Stellungnahme ab.“ Auch die Fragen per E-Mail bleiben unbeantwortet.

Massentierhaltung schafft keine stabile Bevölkerung

Im Dorf weiß jeder, was Millán Pascuals Argumente für die Ansiedlung der Makrofarm sind. „Auf der Versammlung im Februar 2019, als uns das Projekt vorgestellt wurde, war viel davon die Rede, dass dies das Dorf rette“, erinnert sich Miguel García, der es als Einziger von der Liste der Unabhängigen in den Gemeinderat geschafft hat. Der 65-jährige pensionierte Lehrer ist der Bruder von Montse García und der Schwager von Pérez. „Es schaffe Arbeitsplätze, bringe Leute ins Dorf“, sei damals argumentiert worden.

Doch Miguel García glaubt nicht daran. Denn es gibt eine Studie der spanischen Umweltorganisation Ecologistas en Acción, die genau das Gegenteil zeigt. Wo in Spanien Massentierhaltung angesiedelt wurde, wanderten noch mehr Menschen ab als sowieso schon. „Solche Betriebe bieten nur sehr prekäre Arbeitsbedingungen, das schafft keine stabile Bevölkerung“, sagt García – und für den Rest würden sich die Lebensbedingungen verschlechtern.

Die Gegner der geplanten Makrofarm haben nun mit Anwohner­initiativen gegen die bisher größte existierende Farm von Valle de Odieta, die sich in Caparroso befindet, Kontakt aufgenommen. Mit ihren über 5.000 Milchkühen und 2.000 Kälbern ist diese aktuell zugleich die größte Farm für Milchproduktion in Europa. All das, was sie in Noviercas befürchten, finden sie dort bestätigt. „Neuste Untersuchungen zeigen, dass das Grundwasser am Limit der zulässigen Nitratbelastung ist“, sagt Aitor Peralta von der Initiative „Zureur, Zurelur“ – Baskisch für „Unser Land, unser Wasser“.

Außerdem brachte die Riesenfarm eine andere Fabrik mit sich, die keiner will, eine Methangasproduktion. „Neben dem Mist aus der Rinderhaltung wird dort Haushaltsmüll von außerhalb hingefahren und verarbeitet“, sagt Peralta. Auch diese Anlage belaste die Umwelt.

„Insgesamt laufen allein in Caparroso elf Verfahren gegen Valle de Odieta wegen Verstößen gegen Umwelt­richtlinien“, sagt Pérez. „Einem solchen Unternehmen sollen wir allen Ernstes vertrauen?“

Er hofft, dass das Mammutprojekt noch zu stoppen ist.

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