Nukleares Endlager: Konrad-Planung kritisiert

Seit Baubeginn des Endlagers Schacht Konrad sind 60 Änderungsgenehmigungen erteilt worden. Die Öffentlichkeit hat davon nichts erfahren.

Blick in den Tunnel vom Schacht Konrad

Wird für die Aufnahme von Atommüll vorbereitet: Schacht Konrad Foto: Julian Stratenschulte/dpa

GÖTTINGEN taz | Atomkraftgegner haben wieder einmal die Aufgabe des Schachts Konrad in Salzgitter als nukleares Endlager verlangt. Anlass ist die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage des Linken-Abgeordneten Victor Perli aus Niedersachsen. Ihm zufolge wurde und wird Schacht Konrad „anders gebaut als ursprünglich genehmigt“. Unter dem Deckmantel von „unwesentlichen“ Änderungen seien seit Beginn der Umrüstung des ehemaligen Eisenerzbergwerks bereits 60 Änderungsgenehmigungen ohne Öffentlichkeitsbeteiligung erteilt worden.

Nachdem schon 2009 und 2014 die Einlagerung von 91 weiteren Radionukliden im Rahmen von „unwesentlichen“ Änderungen genehmigt wurden, sind laut Regierungsantwort inzwischen fast alle Bereiche des Atommülllagers von Änderungen betroffen – von der Kontaminationsüberwachung über mobile Abschirmwände und die Anlieferung der Abfallgebinde bis zum Management der radioaktiven Abwässer und der Abluft.

„Ohne dass die Öffentlichkeit überhaupt informiert wird, errichtet die BGE unter der Hand ein ganz anderes Endlager als gedacht“, kritisiert Ludwig Wasmus, Vorstand der atomkraftkritischen Arbeitsgemeinschaft Schacht Konrad. Viele Änderungen hätten Auswirkungen auf die Sicherheit. Trotzdem schreckten die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) und die Bundesregierung ­bisher vor einer ordentlichen Änderungsplanfeststellung zurück.

Eine solche, ist Wasmus überzeugt, müsste nämlich zur Überprüfung des gesamten Projekts und damit zwangsweise zum Aus führen: „Hier wird mit der Sicherheit der Bevölkerung gespielt und Genehmigungsrecht umgangen, nur um Konrad mit aller Macht durchzudrücken“, sagt Wasmus. „Wir fordern den sofortigen Baustopp.“

Fehler sollen nicht wiederholt werden

Aus Sicht von Perli belegen die ständigen Planungsänderungen, Verzögerungen und die Kostenexplosion erneut, „dass Schacht Konrad nicht als Endlager geeignet ist“. Die Bundesregierung versuche hier „passend zu machen, was nicht passt“. Die neue Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) dürfe nicht den Fehler ihrer Vorgängerinnen wiederholen, die alle Probleme mit Konrad ausgesessen hätten.

Ludwig Wasmus, Atomkritiker

„Hier wird mit der Sicherheit der Bevölkerung gespielt“

Die laufende Endlagersuche, verlangt Perli, müsse für eine Alternative zu Schacht Konrad geöffnet werden. Bislang wurde nur das Suchverfahren für ein Endlager für den hoch radioaktiven Müll neu gestartet.

Die BGE sieht die Vorgänge weniger dramatisch. Sie beantrage während der Errichtung in Einzelfällen Abweichungen vom Planfeststellungsbeschluss beim Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE), sagte BGE-Sprecherin Monika Hotopp der taz – etwa wegen geänderter gesetzlicher Bestimmungen oder wegen neuerer Materialien.

Das BASE überprüfe das und müsse bei „unwesentlichen Veränderungen“ seine Zustimmung erteilen. Wesentliche Veränderungen hingegen, die beim niedersächsischen Umweltministerium beantragt werden müssten, seien „bislang nicht erforderlich“ gewesen. Was aus ihrer Sicht wesentliche und was unwesentliche Änderungen sind, erläuterte die BGE nicht. Eine angefragte Stellungnahme des niedersächsischen Umweltministeriums stand am Mittwochnachmittag noch aus.

Auf Stand von Wissenschaft und Technik?

Unabhängig von den jetzt bekannt gewordenen Änderungen hatten die Umweltverbände BUND und Nabu im Mai von Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD) eine Rücknahme des Planfeststellungsbeschlusses für Schacht Konrad verlangt. Sie begründen dies damit, dass das Lager längst nicht mehr dem Stand von Wissenschaft und Technik entspreche.

Lies hatte bei Entgegennahme des Antrags betont, der Planfeststellungsbeschluss sei wirksam. Gleichzeitig sei aber klar, dass sich bei einem viele Jahrzehnte umfassenden Vorhaben wie Schacht Konrad „der Stand von Wissenschaft und Technik weiterentwickelt“. Der Minister fügte hinzu: „Wir nehmen das sehr ernst und werden sehr genau prüfen mit Blick auf eventuell weitreichende, rechtliche Konsequenzen.“

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