Denkmal für Laye Condé in Bremen: Rassismuserfahrung erwünscht

Die Bremer Kulturbehörde will an die schreckliche Zeit der Brechmittelfolter erinnern. Von Rassismus Betroffene sollen ein Kunstwerk dafür auswählen.

Ein Foto und eine Trauerbekundung zum zehnjährigen Todestag von Laye Condé.

Ein Foto und eine Trauerbekundung zum zehnjährigen Todestag von Laye Condé Foto: Carmen Jaspersen/dpa

BREMEN taz | Die Bremer Kulturbehörde wünscht sich ein „Kunstwerk, das erinnert und mahnt“: an die schreckliche Zeit der Brechmittelfolter und den Tod von Laye-Alama Condé; und daran, dass das alles nicht vergessen werden darf. Sie sucht nun Bre­me­r:in­nen, die ehrenamtlich eine Auswahlkommission bilden, die über die Gestaltung des Gedenk­ortes entscheiden soll.

„Haben Sie selbst Erfahrungen mit Rassismus und Diskriminierung in Bremen – und damit einen Blick für die besondere Perspektive des Gedenk­orts? Machen Sie selbst die Erfahrung, als ‚fremd‘ angesehen zu werden?“ Diese und weitere Fragen stehen im Aufruf der Behörde. Auch wer selbst von Brechmittelfolter betroffen war und oder jemanden kennt, ist gefragt.

Ende Dezember 2004 wurde der aus Sierra Leone geflüchtete Laye-Alama Condé verdächtigt, mit Drogen zu dealen. In Polizeigewahrsam fesselte man ihn und flößte ihm über eine Nasensonde zwangsweise Brechmittel und Wasser ein. Er fiel ins Koma und starb Anfang Januar. Er ertrank. 17 Jahre ist sein Tod nun her. Vor 16 Jahren stufte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte diese Brechmittelvergabe als Verstoß gegen das Folterverbot ein.

Und vor rund einem Jahr beschloss die Bremische Bürgerschaft, ein Mahnmal für die Opfer von Brechmittelfolter zu schaffen. Im vergangenen Jahr hat sich der Landesbeirat für Kunst im öffentlichem Raum mehrfach dazu getroffen. Der Ort soll neben dem Gerhard-Marcks-Haus in der Innenstadt entstehen, in Sichtweite der großen Polizeiwache.

Brechmittelfolter als rassistische Maßnahme

Was genau dort entstehen soll, möchte der Landesbeirat aber nicht alleine entscheiden: „Schon in diesem Schritt wollen wir Beteiligung schaffen von Menschen, die Expertise haben, die wir gar nicht mitbringen und ein Verständnis, das wir aus unserer privilegierten Perspektive gar nicht haben können“, sagte Kai Wargalla im Dezember der taz. Sie ist kulturpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion. Die Kulturbehörde, erklärt ein Sprecher, erhofft sich durch dieses Vorgehen zudem eine hohe gesellschaftliche Akzeptanz und Identifikation mit dem Gedenkort.

Gedenkkundgebung zum 17. Todestag von Laye-Alama Condé: 7. Januar, 17 Uhr, Langemarckstraße/Hochschule Bremen, u.a. mit einem Vertreter der Initiative in Gedenken an Achidi John aus Hamburg

Nicht nur an Condé soll der Ort erinnern, sondern an alle Opfer der Brechmittelfolter. „Zwischen 1991 und 2004 sind in Bremen in über 1.000 Fällen Brechmittel an Menschen in Polizeigewahrsam verabreicht worden“, heißt es auf der Webseite brechmittelfolter-bremen.de, auf die auch die Kulturbehörde in ihrer Mitteilung verweist.

In einem Text auf der Seite, in dem es um den Fall Condés, die Aufarbeitung und die jährlich durch die „Initiative in Gedenken an Laye-Alama Condé“ initiierten Gedenktage geht, wird betont, dass die Brechmittelfolter eine „rassistische Maßnahme“ war: 99 Prozent der Betroffenen „waren afrikanischer Herkunft“.

Ein Gedenkort könne zum einen die Übernahme der politischen Verantwortung für den Tod Condés bedeuten. Zum anderen könne durch ihn der „Glauben an Gerechtigkeit“, die viele durch die Brechmittelfolter selbst sowie die Einstellung der Verfahren gegen mutmaßlich Verantwortliche verloren haben, zurückgewonnen werden.

Gundula Oerter von der Ini­tiative in Gedenken an Laye- Alama Condé findet den Weg des Landesbeirats gut. „Die Praxis der Brechmittelvergabe war Ausdruck staatlicher Diskriminierung von Schwarzen Menschen“, sagt sie. „Struktureller Rassismus und alltägliche rassistische Angriffe sind nach wie vor aktuell. Daher müssen die Perspektiven derjenigen sichtbar gemacht werden, die davon betroffen und gefährdet sind.“

Bis Ende Februar können sich Interessierte bei der Kulturbehörde melden. Voraussetzung ist – neben dem Interesse an Thema und Gedenkort – genug Zeit, um sich über ein Jahr lang ehrenamtlich und regelmäßig mit der Auswahlkommission zu treffen. Steht die Kommission, bewerben sich Künst­le­r:in­nen mit ihren Entwürfen. Bei der Auswahl steht der Kommission eine „künstlerisch-fachliche Beratung“ zur Seite, heißt es in dem Aufruf der Behörde – Kunst­ex­per­t:in muss man demnach nicht sein, um mitent­scheiden zu können, welche Variante dann bis Ende 2023 umgesetzt wird.

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