wortwechsel
: Vom Ölschlick in die grüne Nuklear-Traufe?

Die Klimakatastrophe kann nur gebremst werden durch Verringerung des CO2 -Ausstoßes. Jetzt sollen ausgerechnet Atomkraftwerke Rettung bringen? Warum freut sich das Militär?

Ak­ti­vis­t:in­nen von Saveger6 und Nuklearia auf der Demonstration von Fridays for Future. Das Motto: „Kein Grad weiter!“ Klimastreik am 25. September 2020 in Berlin Foto: Stefan Boness

„Immer wieder wird eine Atomkraft-Renaissance herbeigeredet. Das ist realitätsfern“, taz vom 7. 11. 21

„Faust’scher Handel“

Die „Nuklear-10“ setzen weiter auf Kernkraft: Polen, Tschechien, Ungarn und die Slowakei, zusammen mit Bulgarien, Rumänien und Slowenien – wobei Polen noch keine KKW hat, aber bis 2040 6 Reaktoren mit Hilfe von Südkorea bauen will. Dazu kommen die westeuropäischen Länder Frankreich und Finnland. Großbritannien ist nicht mehr Mitglied der EU. China hat das schnellste Programm mit 13 neuen Reaktoren im Bau, und eine beträchtliche Anzahl neuer Reaktoren wird auch in Indien, Russland und Südkorea gebaut. Fünf chinesische Hualong-One-Reaktoren sind für Pakistan geplant.

Indien unterschrieb mit Russland einen Vertrag, um bis zu 16 Reaktoren an 3 Standorten zu bauen. In der Türkei soll das im Bau befindliche KKW Akkuyu mit dem russischen Reaktor von AtomStroyExport bis 2023 fertig werden. Die russische Rosatom soll dann auch den zweiten Reaktor bauen. Der dritte Reaktor wird mit China gebaut. Der erste Reaktor von vier in Barakah, Abu Dhabi, Vereinigte Arabische Emirate, gebaut von Südkorea, ging im Dezember 2020 ans Netz.

In diesem Text wird nicht erwähnt, dass man in den USA an SMRs (Small Modular Reactors) forscht, um Komponenten wie am Fließband fertigen zu können für die Entwicklung von Minireaktoren. Die U. S. Nuclear Regulatory Commission genehmigte den Antrag für den SMR von NuScale Power, Utah Associated Municipal Power Systems plant, an dem Standort des U. S. Department of Energy im östlichem Idaho zu bauen. Die Small Reactors können circa 60 Megawatt Energie erzeugen, genug, um mehr als 50.000 Heime zu versorgen. Das vorgeschlagene Projekt beinhaltet 12 Small Modular Reactors.

Der erste soll 2029 gebaut werden, der Rest in 2030.

In Kanada wird GE-Hitachi einen Small Modular Reactor in Ontario bauen. Südkoreas Doosan Heavy Industries & Construction arbeitet mit dem US-Startup NuScale, um Small Modular Reactor Anlagen zu entwickeln. Rumänien will 6 Small-Modular-Reaktoren von NuScale Power kaufen. Alvin Weinberg, ehemaliger Direktor des Oak Ridge-Kernforschungslabors, prägte den Begriff „Faust’scher Handel“. Die Kernkraft ist einmalig dadurch, dass sie nichts verzeiht. Igor Fodor, München

Die Macht des Militärs

„Atomkraft in Frankreich: Herbeigeredete Wiedergeburt. Länder wie Frankreich haben andere Gründe, an der Atomkraft festzuhalten, als das Klima. Macron etwa geht es ums Militär“,

taz vom 8. 12. 21

Kernenergie lohnt sich derzeit nur, wenn das Militär einen (beträchtlichen) Teil der Rechnung übernimmt. Vielleicht war das auch immer so. Tomás Zerolo auf taz.de

@zerolo Ist es nicht eher so, dass die Steuerzahler den Großteil der Kosten übernahmen und auch in Zukunft übernehmen sollen? Rückbau, Endlager … War es nicht so, dass die Atomkraft erst durch endlose Summen an Subventionen „ins Funktionieren“ kam? Opossum auf taz.de

@zerolo Andersherum! Nicht das Militär beteiligt sich an der „zivilen“ Atomkraftnutzung, sondern die „zivile“ Atomkraftnutzung dient in allen Atombomben-Staaten dazu, die grotesk irrsinnigen Kosten der Atombomben zu verschleiern und die Gefahren und Schäden, die in der Atomindustrie unvermeidbar auftreten, für die Bevölkerung als akzeptabel darzustellen. Wagenbär auf taz.de

Zivile Green Deals

„Ohne AKWs hat das Militär riesige Infrastrukturprobleme. Da geht es um Forschungskapazitäten, Lieferkettenkontinuität, Stückkostensenkung, Spezial­materialien für U-Boot-Antriebsreaktoren. All das bräche weg, wenn die militärische Atomkraft ohne das zivile Rückgrat dastände.“ Genau das sind die Gründe, warum Atomkraft weiterhin betrieben und ausgebaut werden wird! Und natürlich wegen des wachsenden Energiebedarfs schon wegen der E-Automobilisierung. 26152 auf taz.de

Die Reaktor-Baukosten sind für die Franzosen zumindest für zukünftige Projekte kein Problem, denn sie werden dann durch die EU über den Green Deal refinanziert werden. Dima auf taz.de

„Nukleare Teilhabe“?

„Die Ampel und die nukleare Teilhabe: Kein Wintermärchen. Die Ampelkoalition gibt der atomaren Bewaffnung eine Zukunft. Robert Jungk, Petra Kelly und Heinrich Böll wälzen sich in ihren Gräbern“, taz vom 14. 12. 21

Ich halte die Wortkreation „nukleare Teilhabe“ für eine Unverschämtheit gegenüber den Opfern nuklearer Hybris. Es lohnt sich übrigens, einen Spaziergang im heutigen Mutlangen zu machen. Wo 1983 Pershings stationiert werden sollten, steht jetzt ein Solarpark und ein Neubaugebiet. Wer hätte das gedacht? Schwerter zu Pflugscharen wurde hier Realität. Sollte das nicht auch am Atomwaffen-Depot in Büchel möglich sein? Ist die Lagerung und der Flugeinsatz von Atomwaffen mit dem Grundgesetz vereinbar? Der lange Atem der Abrüstungspolitik lohnt sich auch heute. Arno Schelle, Fredelsloh

Der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) kritisiert, dass die Lingener Brennelementefabrik und die Urananreicherungsanlage in Gronau im neuen Ampel-Koalitionsvertrag mit keinem Wort erwähnt werden: „Für beide Anlagen gibt es bisher keine Laufzeitbegrenzung. Das ist nicht hinnehmbar und die neue Bundesregierung muss die Produktion und den Export von Atombrennstoff in Gronau und Lingen unverzüglich stoppen.“ Die erste Bürgerinitiative wurde in Gronau bereits vor 45 Jahren, im Oktober 1976, gegründet. Vor 40 Jahren entstand daraus der bis heute aktive Arbeitskreis Umwelt (AKU) Gronau. Seit 35 Jahren, treffen sich immer am ersten Sonntag im Monat Anti-Atomkraft-Initiativen zum Sonntagsspaziergang an der Urananreicherungsanlage. Nächster Termin: der Neujahrsspaziergang am 2. Januar 2022. Udo Buchholz, BBU Bonn