Petition der Woche: Erste-Hilfe-Kurse in die Schulen!

Über 50.000 Menschen sterben in Deutschland jährlich an einem Herzinfarkt. Zwei Me­di­zi­ne­r:in­nen wollen Reanimationskurse an die Schulen bringen.

Erste-Hilfe Kurs: An einem Puppentorso wird eine Herzdruckmassage vorgeführt

Herzdruckmassage: Die wenigsten Menschen können im Ernstfall Erste Hilfe leisten Foto: Antonio Gravante/imago

Es passiert in Deutschland jeden Tag mehr als hundert Mal: Jemand kippt um, vielleicht der Opa. Er atmet nicht, hat keinen Puls. Kein Herzschlag. Zu wenig Sauerstoff kommt ins Gehirn.

Wie geht das noch mal – eine Herzdruckmassage? Drücke ich stark genug? Oder zu stark, breche ich ihm die Rippen? Wann mache ich eine Mund-zu-Mund-Beatmung? Der letzte Erste-Hilfe-Kurs ist schon ewig her, damals für den Führerschein! Und warum kommt der Notarzt nicht?

Jede Minute sinkt die Überlebenswahrscheinlichkeit in diesem Szenario um 10 Prozent. Die meisten Betroffenen befinden sich in ihrer Wohnung, wenn sie einen Herzinfarkt erleiden. 9 Minuten: So lange brauchen die Not­ärz­t:in­nen durchschnittlich, bis sie eintreffen.

Rippenbruch oder Herzinfarkt

Diese Zeit müssen Erst­hel­fe­r:in­nen überbrücken. Doch in weniger als der Hälfte der Fälle ist jemand zu­gegen, der das kann. Und so sterben jedes Jahr mehr als 50.000 Menschen in Deutschland an einem Herzinfarkt.

Laut der Notärztin Caroline Holzner muss die Hemmschwelle sinken, damit mehr Menschen eine Reanimation versuchen: „Man kann nichts falsch machen. Wenn Sie die Wahl haben zwischen gebrochenen Rippen oder dem Tod durch Herzinfarkt, dann ist die Entscheidung klar.“ Holzner hat zusammen mit Bernd Böttiger, dem Direktor der Kölner Uniklinik und Vorsitzenden des Deutschen Rats für Wiederbelebung, die Petition #ichrettedeinleben gestartet.

Holzner ist als Influencerin Doc Caro bekannt und war zum Thema Corona häufig in Talkshows. Diese Aufmerksamkeit will sie nun für ihre Petition nutzen: Sie fordert verpflichtenden Wiederbelebungsunterricht ab der 7. Klasse. Das klingt groß, bedeutet letztlich aber nur: zwei Schulstunden im Jahr für eine Art Erste-Hilfe-Kurs.

Vorbild Dänemark

Holzner und Böttiger engagieren sich schon lange dafür. Der Klinikchef hat etwa in Köln schon 400 Schü­le­r:in­nen in Sachen Wiederbelebung trainiert: „Wir waren damals in allen Nachrichtensendungen mit unserer Aktion, und zwei Jahre später haben wir das in ganz Deutschland umgesetzt.“

Das war 2009. Seitdem haben die Kultusministerkonferenz und die Weltgesundheitsorganisation eine solche Schulung empfohlen. In anderen europäischen Ländern läuft das längst so, etwa in Dänemark, wo die Reanimierungsquote dank geschulter Laien seit 2005 von etwa 20 auf über 50 Prozent stieg. In Deutschland gebe es ein solches Training flächendeckend nur in Mecklenburg-Vorpommern, sagt Böttiger.

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Böttiger und Holzner richten sich mit ihrem Anliegen an den Petitionsausschuss des Bundestags. Aber: Was kann der denn überhaupt machen, wenn Schule doch Ländersache ist? Das Petitionsduo will den Bundestag zum Beispiel dazu bringen, mehr Lehrmittel zur Verfügung zu stellen und sich an einer Finanzierung des Projekts zu beteiligen.

Das biete Anreize für die Bundesländer. Außerdem warben sie in Schreiben an Landes- und Bun­des­po­li­ti­ke­r:in­nen um Unterstützung. Knapp 60.000 Unterschriften haben sie schon gesammelt. Der Petitionsausschuss des Bundestags wird sich nun damit beschäftigen.

Wie optimistisch sind sie, dass ihr Anliegen in den nächsten vier Jahren umgesetzt wird? Holzner: „Ich habe nicht die Hoffnung – ich rechne fest damit.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.