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Neustart für ein altmodisches Geschäftsmodell

Avontuur heißt der bekannteste Frachtsegler Deutschlands. Kaffee, Kakao und Rum werden aus Mittelamerika nach Deutschland geschippert. Heimathafen ist neuerdings Hamburg-Finkenwerder

Fängt auf Finkenwerder mit klima­neutral geschipperten Waren wieder von vorn an: Daniel Martens Foto: Knut Henkel

Von Knut Henkel

Der Umzug war alternativlos. Erst ging die Heimatwerft in Elsfleth Pleite, dann zog sich mit Hans Georg Näder der größte Investor zurück und brachte die Timbercoast GmbH in finanzielle Schieflage. Lagerbestände wurden zwangsversteigert, der Online-Shop musste vom Netz genommen werden, erinnert sich Daniel Martens. Seit September 2020 ist er die rechte Hand von Captain und Gründer Cornelius Bockermann – und stand zwischenzeitlich etwas orientierungslos in Elsfleth zwischen seinen Umzugskartons.

Geschichte. Nun bringt das Duo die Timbercoast GmbH wieder in Fahrt. Der eine an Bord, der andere an Land. „Seit dem 1. Advent sind wir hier in Finkenwerder vor Anker gegangen“, sagt Martens. „Mit dem Büro, aber auch mit der ‚Avontuur‘“.

So heißt der Gaffelschoner, der unter der Flagge der Timbercoast GmbH etwa zweimal im Jahr den Atlantik überquert. Kaffee, Kakao und Spirituosen werden in Mittelamerika und der Karibik an Bord genommen und klimaneutral nach Hamburg transportiert. So wie gerade jetzt. „Vor ein paar Tagen wurde in Marie-Galante Rum an Bord genommen“, so Martens. „Nun liegt die ‚Avontuur‘ im kolumbianischen Santa Marta vor Anker.“

Marie-Galante ist eine der Inseln des französischen Übersee-Départements Guadeloupe und bekannt für exquisiten Rum. Der steht auch in den Regalen des Büro- und Show-Rooms von Timbercoast im Steendiek auf der Hamburger Elbinsel Finkenwerder. Kaum zu übersehen sind die beiden großen Schaufenster, die mit allerlei Tauwerk, einem bauchigen Fass und Plakaten mit dem Slogan des Unternehmens dekoriert sind: „Mission Zero: Gesegelte Ware – sauberer Transport“.

Das trifft auf alles zu, was sich in den Regalen und am Verkostungstresen findet. Kaffee, Schokolade und Spirituosen sind das, die den Atlantik nach Hamburg überquert haben. Neben ein paar T-Shirts. Vom 100. Jubiläum der 1920 in Holland vom Stapel gelaufenen „Avontuur“ gibt es noch eine Schokolade und einen Rum. Die damals aufgelegte Kaffee-Sonderedition ist längst ausverkauft und durch Filter- und Espressokaffee in beigen Beuteln mit dem „Avontuur“-Aufkleber ersetzt. Der wird in der ältesten Kaffeerösterei Bremens verarbeitet und abgefüllt.

Kaffee ist das derzeit wichtigste Frachtprodukt. Faire und nachhaltige Kaffee-Genossenschaften buchen derzeit das Gros des „Avontuur“-Frachtraums und gleich mehrere Anbieter haben einen klimaneutralen „Segelkaffee“ im Programm, so Martens. Der 37-Jährige mit dem buschigen Vollbart und der markanten Vintage-Brille ist froh, dass der Timbercoast-Shop wieder angelaufen ist – sowohl real als auch virtuell. Noch wichtiger ist aber, dass das Frachtgeschäft immer besser läuft.

Die derzeit laufende „Voyage 8“ ist ausgebucht, sowohl was das Frachtangebot angeht als auch die Zahl der Shipmates, der freiwilligen Hel­fe­r*in­nen an Bord. Für die am 1. Februar startende Reise Nummer 9 sieht es ähnlich aus. Nur noch einer von zehn Freiwilligen-Plätzen an Bord, für die eine Versorgungspauschale von 60 Euro pro Tag erhoben wird, ist frei.

„Vor ein paar Tagen wurde in Marie-Galante Rum an Bord genommen“

Daniel Martens, Timbercoast

Das Transportmodell für Genussmittel, bei denen die Nachhaltigkeit ein Kaufkriterium ist und die durch den Atlantiktörn noch veredelt werden wie Rum- oder andere Spirituosen, funktioniert. Martens könnte mehr Frachtkapazität verkaufen, wenn es bereits ein zweites Schiff gäbe. Das befindet sich zwar in Planung, aber eben noch nicht mehr. „Nächstes Jahr im Frühjahr sollen die Baupläne fertig sein. Dann gilt es, ein Finanzierungsmodell für den modernen, schätzungsweise 20 Millionen Euro teuren Lastensegler zu entwickeln“, sagt Martens.

Containerfähig soll der Segler sein, rund das siebenfache des derzeitigen Transportvolumens bewältigen und vielleicht auch noch einen Tick schneller unterwegs sein. Das soll sich in zwei, drei Jahren zeigen. Dann soll der moderne Frachtsegler auf seinen ersten Törn gehen und bis dahin gilt es, zumindest einen Teil der Finanzierung durch den Verkauf der CO2-neutral nach Europa transportierten Genussmittel einzuspielen.

Neben Kaffee ist derzeit der „Grand Crew“, ein rund 6,5 Jahre alter Rum aus Marie-Galante der Renner. Mehrere der von Hand nummerierten Flaschen stapeln sich gut verpackt auf dem Schreibtisch von Martens und sollen heute noch abgeholt werden.

„Timbercoast – Cargo under sail“, Steendiek 31, Hamburg-Finkenwerder, Öffnungszeiten: Mo–Sa, 10–14 Uhr, und nach Vereinbarung

www.timbercoast.de