Dem Schlachthof zum Geburtstag: Noch keine Form gefunden? Gut so!
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Ein Kulturzentrum wie der Schlachthof muss neue Formen entdecken und immer wieder neue Formen „kultivieren“. Dass der Space Park von allen Seiten – ökonomisch, kulturell, städtebaulich – zuerst und umfassend während eines Vortrags- und Debattenmarathons im Schlachthof kritisiert wurde, beweist die Produktivität solcher „Formensuche“. Tierschutzkongress, Toter Salon, Jugendtheaterfestival „Explosive“, Roots-Night, Skater-Festival „Endless Grind“, die ZETT selbst und nicht zuletzt die vielen An- und Ausbauten – all das ist Ausdruck dafür, dass man sich in einem Kulturzentrum eben nie festlegen kann auf einen festen Formenkanon à la Hoch- oder Kommerzkultur. (...)

Aber das ist auch das Anstrengende an der soziokulturellen Arbeit: Während man im Staatstheater weiß, dass man halt Theater macht und in der Kunsthalle Kunst und zwar in der Regel fürs bürgerliche Milieu, ist man in einem Laden wie dem Kulturzentrum Schlachthof immer am Suchen und oft am Zweifeln: Ist Weltmusik nicht längst kommerzielles Gemeingut und braucht ein Kulturzentrum wie unseres gar nicht mehr? Sind Discos in der Kesselhalle wirklich das, was der Schlachthof machen sollte? Mischen wir uns noch genug ein in die lokale Politik? Fragen über Fragen... Ohne die es aber ein Zentrum wie den Schlachthof nicht geben würde.

„Stadtkultur“, das große Wort der Bremer Kulturhauptstadtbewerbung und seiner späteren Ableger, ist auf solche Fragen und endlose Selbstzweifel genauso angewiesen wie jede lebendige kulturelle Äußerung. Die Frage ist freilich: Ist das noch gefragt? In Bremen verdanken wir dem Weser-Kurier ein offenes Wort, eines, das wahrscheinlich viele BremerInnen im Kopf haben: Kultur, das ist Luxus. (...) Wozu brauchen wir Kulturhauptstadt, wozu Soziokultur, wozu freie Theater und Konzertbühnen? (...) Dagegen muss die Kultur selber was machen, sie muss eher die Hefe für den Stadtteig sein als die Zierde obendrauf. Das heißt auch, dass sie mittenrein muss in die Stadt. So wie es der Schlachthof getan hat, als er den Stadthallenumbau nach Strich und Faden auseinander genommen hat. (...) Am ehesten, da können Staatstheater und Kunsthalle sich drehen und wenden, funktioniert Stadtkultur mit und an Orten wie dem Schlachthof. Elke Heyduck

Der Text erschien ungekürzt in der aktuellen ZETT. Die Autorin hat von 1990 bis 1998 am Schlachthof gearbeitet