Ehrung für Schriftsteller Herman Bang: Schwuler Flüchtling der Kaiserzeit

Dänemarks Königin würdigt im Literaturhaus Berlin den Schriftsteller Herman Bang mit einer Gedenktafel. Das Literaturhaus weiß dies kaum zu preisen.

Die dänische Königin Margrethe enthüllt im Literaturhaus Berlin die Gedenktafel für Herman Bang, neben ihr Klaus Lederer.

Die dänische Königin Margrethe enthüllt die Gedenktafel für Herman Bang, rechts Klaus Lederer Foto: Tobias Schwarz/reuters

Das war natürlich eine glamourös anmutende halbe Stunde, in der Dänemarks Königin, gerade auf offiziellem Staatsbesuch in Deutschland, dem Berliner Literaturhaus ihre Aufwartung machte. Dabei ging es weniger, wie es den Anschein hatte, um die eben 100 Jahre gewordene Holocaustüberlebende Margot Friedländer, die aktuell im Haus an der Fasanenstraße gewürdigt wird, auch mit einer Fotoausstellung.

Sondern um Herman Bang, einen dänischer Schriftsteller und Journalist von Rang, der als schwuler Mann in seiner Kopenhagener Heimat Ende des 19. Jahrhunderts mehr als nur wenig gelitten war – sondern als Homosexueller dem Spott gerade der bürgerlichen Kreise ausgeliefert war. Und deshalb, kein Wunder, lieber ins Ausland ging – und was lag näher als Berlin, Hauptstadt des Kaiserreichs, die queere Hauptstadt der Welt und Zufluchtsort für so viele, wie man heute sagen würde, Queers aus aller Welt.

So kam die Königin, gewandet in ein rotes Kostüm, dazu passend dunkelamarenakirschfarbene Nails, auf die Protokollsekunde pünktlich das Treppenaus hinauf, setzte sich nach gemessenen Schritten auf den einzig gepolsterten Stuhl im großen Saal des Literaturhauses, umgeben von Monika Grütters, Kulturstaatsministerin, und Elke Büdenbender, der First Lady unseres Landes, Gattin von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.

Und hörte zu, sie selbst sagt ja nur selten etwas – dass Herman Bang, so führten es die Literaturwissenschaftlerinnen Anna Sandberg und Annegret Heitmann aus, ein Mann von Noblesse und außerordentlichem Sprachgefühl gewesen sei, ein Autor feuilletonistischen Glanzes und gerade in seinem Vermögen, Frauenfiguren mit wärmster Anteilnahme zu schildern, außerordentlich für seine Zeit.

Eine Ehre für Berlin

Berlins Bürgermeister und Kultursenator Klaus Lederer fügte dem noch hinzu, dass es für Berlin eine Ehre sei, dass die Königin nun gleich die Gedenkplatte zur Erinnerung an Bang enthüllen werde und dass überhaupt am früheren Wohnhaus Bangs, Fasanenstraße 58, diese Gedenkplatte ihren Platz finden werde.

Dass Herman Bang in Berlin überhaupt diese öffentliche und königinnenoffizielle Wertschätzung findet, liegt natürlich am Werk des Dänen selbst. 1857 in Asserballe in der dustersten Provinz als Spross einer keineswegs liberalen Pfarrersfamilie zur Welt bekommen, sollte er Jurist werden – und begann doch das Schreiben und die (erfolglose) Arbeit als Schauspieler in Kopenhagen, wurde einer der prägnantesten Kulturchronisten der späten Jahre des 19. Jahrhunderts, ähnlich wie Oscar Wilde von London aus.

Er verstand sich als bürgerlicher Aufsteiger in eine lichte Zukunft, als Kritiker überkommener Lebensverhältnisse, etwa der des Adels, war vor allem aber mehr oder weniger offen homosexuell.

Die sittlichen Aufbrüche seiner Zeit begrüßt

Heutzutage kaum vorstellbar, aber in Dänemark überschritt er damit moralische Grenzen auf das Nachteiligste. Der Dandy verfasste 1880 seinen Romanerstling „Hoffnungslose Geschlechter“, positionierte sich als schwuler Mann nicht im absolut Diskreten, er begrüßte sehr mutig die sittlichen Aufbrüche seiner Zeit.

Er war ein Liberaler, der es später nur bedauern sollte, als Bürger und Antiprolet in der Berliner Schwulenszene auch mit Leuten zu tun bekommen zu haben, die nicht von seinem Stand sind. Er fand dieses schichtenübergreifende Metropolenleben gerade unter Queers andererseits interessant und vermutlich auch erotisierend. Wegen seines Romans – der in Dänemark beschlagnahmt wurde – musste er sich immer vorsichtig verhalten und versuchte dennoch, seine Gebote von Sag- und Sichtbarkeit zu leben. Zeitgenössischer ins Heute geht es eigentlich kaum.

Berlin sollte sein Karrierehub werden, doch ein Kommentar in einer norwegischen Zeitung gegen den siechenden deutschen Kaiser vereitelte ein Engagement bei einer hauptstädtischen Zeitung Berlins, ja, er wurde gar aus Deutschland ausgewiesen, fand Asyl in Wien, danach in Prag. Thomas Mann sagte über seinen Kollegen Herman Bang, längst eine kleine Berühmtheit nicht nur in seinem Land, er fühle sich ihm verbunden. Der ebenfalls schreibende Klaus Mann erkannte in Bang sogar eine Art Vorbild, weil er so explizit schrieb wie nur wenige seiner Generation.

Heimstatt in der Fasanenstraße

Der zweite Versuch Bangs, in Berlin zu reüssieren, glückte – auch wenn der Däne, in der Fasanenstraße Heimstatt findend, inzwischen gelernt hatte, seine eigenen Performances in der Öffentlichkeit als weniger skandalanfällig zu dosieren. Sein persönliches Glück fand er auch in Meiningen, dort lebte der Mann seines Lebens als Theatermann. Auf einer Lesereise in den USA verstarb, in Ogden, Utah, Herman Bang im noch eher jungen Alter von 54 Jahren.

Sein Leben ist in jeder Hinsicht interessant – so viele (faktisch) hidden champions zumal des Kaiserreichs hat Berlin andererseits auch nicht mehr zu entdecken. Wie gut, dass der Skandinavist Raimund Wolfert schon vor Jahren auf die Idee verfiel, bei der dänischen Botschaft in Berlin das Projekt einer Erinnerungstafel zu lancieren.

Die Dänen sagten zu, auch, dass Wolfert eine Ausstellung zu Bang und akkurat zur öffentlichen Plakettenenthüllung im Literaturhaus kuratieren möge. Das tat er, allerdings kam der Raum neben dem Feiersaal nicht in Frage, da gedachte man schon der jüdischen Zeitzeugin Margot Friedländer. Die Ausstellung freilich ist schön geworden, viele historische Bilder sind zu sehen, Zitate von Bang markant hervorgehoben, die künstlerische Lebensgeschichte des Dänen aufblätternd.

Auf der Website kein Hinweis

Die dänische Botschaft schickte gar eine pdf-Datei, auf der die Ausstellung „Herman Bang und seine ‚Fasaneninsel‘“, anspielend auf den Rückzugsort des Autors im bürgerlichen und damals modernen Wilmersdorf, zu sehen ist. Doch auf der Website des Literaturhauses – kein Hinweis. Ist die Schau nur ein Fake, nur ein Potemkinsches Dorf, damit der Königin Zufriedenstellendes gemeldet werden kann: Einem Sohn ihres Landes wird die Ehre wiedergegeben?

Nein, man findet – nichts. Irgendwo im Treppenhaus, an Säulen, soll sie gehängt worden sein, klandestiner geht es kaum. Als spielte man wieder das Spiel der hüstelnd-beschämten Diskretion: Bloß nicht über so ein Schmuddelkind reden!

Wahr ist, dass die dänische Botschaft nun offiziell erklärt, es handele sich um eine Wanderausstellung, bald werde sie in der Universität der Künste und der Technischen Universität gezeigt, später gewiss in Bibliotheken Berlins: Man muss hoffen, dass in diesen wenigstens ein paar der nur noch selten im Handel zu findenden Bücher Bangs in den Regalen stehen. Gute Idee, das alles, die Königin als Krönung einer queergewirkten Würdigung – und dann doch wieder wie Krümel vom Tisch des Vorzeigbaren gewischt?

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