Norddeutsche Herbstreise: Stadt-Land-Schluss

In der Ferne heben sich dunkelgraue Brückenpfeiler gegen den grauen Himmel ab. Alles hat zu in Dömitz. In Rostock ist's auch nicht besser.

Häuser und der Kirchturm von Dömitz

Die Festung hatte geschlossen, die Stadt auch: Dömitz im Spätherbst 2021 Foto: Klaus Irler

Ich habe versucht, Urlaub zu machen, im November in Norddeutschland. Einmal in Rostock und einmal in Dömitz an der Elbe, das ist zwischen Hamburg und Berlin. Weder in Rostock noch in Dömitz wollte ich in eine Großraumdisco. Aber etwas erleben wollte ich schon. Oder sagen wir: Etwas sehen wollte ich.

In Rostock ging ich über einen Penny-Parkplatz und sah, dass im angrenzenden Gebäude die damalige Untersuchungshaftanstalt der Stasi untergebracht war. Heute ist darin eine Gedenkstätte. „Schaue ich mir an“, dachte ich.

Es war Freitag und die Tür war zu, also klingelte ich. Ich sah zwei Menschen hinter der Glastür, die nicht reagierten. Ich klingelte nochmal. Nichts. Ich winkte. Nichts. Ich klopfte an die Scheibe, und dann kam eine Frau zur Tür. Ob ich die Gedenkstätte besichtigen könne, fragte ich. „Nein“, sagte sie. „Wir haben heute zu.“ – „Und am Wochenende?“ – „Da auch.“ – „Wann dann?“ – „Versuchen Sie es am Dienstag. Da vielleicht. Wir haben gerade so viel mit den Coronaregeln zu tun.“

Also fuhr ich aufs Land nach Dömitz, einem Ort auf der Ostseite der Elbe. Bekannt ist Dömitz für seine ewig lange Eisenbahnbrücke über die Elbe, die im Zweiten Weltkrieg von einer Fliegerbombe auf Dömitzer Seite gesprengt wurde. Die Brücke wurde nie repariert. Heute steht das Brückenfragment unter Denkmalschutz. Es geht um die Eleganz der stählernen Fachwerkkonstruktion in malerischer Landschaft. Ich sehe in der Ferne dunkelgraue Brückenpfeiler, die sich gegen den grauen Himmel abheben. Das eine Ende der Brücke ist abgebrochen. Das andere verliert sich im Novemberdunst.

Test unter Aufsicht der Oberkellnerin

Abgesehen von der Brücke hat Dömitz eine Festung aus rotem Backstein. Wer die Festung von innen sehen will, braucht 2G-Plus. Das Plus ist das Problem. Das nächste Testzentrum ist eine halbe Tagesreise entfernt und macht erst am Montag wieder auf. Heute aber ist Samstag. Weil ich das Problem kommen gesehen habe, habe ich im Hotel gefragt. Dort durfte ich mich unter Aufsicht der Oberkellnerin selbst testen und bekam ein offizielles Testzertifikat des Hotels.

Mit 2G-Plus in der Tasche überquerte ich die Brücke zum Eingang der Festung und stellte fest: Die Festung und das Museum dazu sind zu. Ich stand da um 15.30 Uhr und das Museum sollte bis 16 Uhr geöffnet sein. War es aber nicht.

Auch das nebenan liegende Städtchen Dömitz war zu. Keine Menschenseele, weder in noch vor den Häusern. Wobei man sagen muss, dass es schöne Häuser gibt in Dömitz. Altes Fachwerk, manche mit runtergerocktem Ost-Charme. Nur keine Menschen dazu.

Ich hatte spontan das Bedürfnis, etwas zu kaufen, irgendwas, einfach kaufen, aber da war nichts. Also rief ich laut: „Hallo, ich will was kaufen“, aber niemand antwortete. Statt dessen setzte die Dämmerung ein und die Fenster blieben dunkel.

Ich will nicht sagen, dass dieser Nachmittag in Dömitz ein Totentanz war, denn im Dömitzer Hafen fand ich ein Hotel, in dem eine Bedienung und ein Koch waren und mir als einzigem Gast ein Bier servierten. Also kein Totentanz. Aber richtig Großraumdisco auch nicht.

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Jahrgang 1973, fing als Kultur-Redakteur der taz in Bremen an und war dann Redakteur für Kultur und Gesellschaft bei der taz nord. Als Fellow im Digital Journalism Fellowship der Hamburg Media School beschäftigte er sich mit der digitalen Transformation des Journalismus und ist derzeit Online-CvD in der Norddeutschland-Redaktion der taz.

Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

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