Diskursiv begabt

Kevin Kühnert wird SPD-Generalsekretär.
Der Job kann kompliziert werden.
Wenn jemand ihn meistert, dann er

Eine steile Karriere. Erst Juso-Chef, dann Vizeparteivorsitzender. Jetzt wird der 32-jährige SPD-Generalsekretär Foto: Michael Kappeler/dpa

Aus Berlin Stefan Reinecke

Kevin Kühnert wird SPD-Generalsekretär. Sein Nachfolger als Parteivize wird Thomas Kutschaty, der neue starke Mann in der SPD in NRW. Beides ist naheliegend. Kühnert versteht sich bestens mit dem künftigen SPD-Chef Lars Klingbeil. Die Allianz des Partei­linken Kühnert und des Seeheimers Klingbeil verkörpert die neue Einigkeit in der Partei. Kutschaty soll im Mai die Landtagswahl an Rhein und Ruhr für die SPD gewinnen. Gewählt werden alle drei beim SPD-Bundesparteitag in einer Woche.

Dass Kühnert Generalsekretär wird, ist keine große Überraschung. Die ASF, die Arbeitsgemeinschaft der SPD-Frauen, hatte zwar eine weibliche Besetzung angemahnt. Doch Juso-Chefin Jessica Rosenthal hatte die Debatte schnell umgelenkt und Kühnert im Spiegel zum „Feministen“ geadelt.

Generalsekretär einer Regierungspartei zu sein ist kein einfacher Job. Scholz wird als Kanzler der Ampel anders handeln als es im SPD-Programm steht. Und es gehört zur Arbeitsplatzbeschreibung des Generalsekretärs, der Partei auch mal unschöne Botschaften zu überbringen. Scholz selbst hat als Generalsekretär zu Zeiten der „Agenda 2010“ dieses Rollenbild geprägt und damals gusseisern den Regierungskurs verteidigt.

Aber die Zeiten haben sich geändert. In der SPD ist das Bewusstsein gewachsen, dass es ein Fehler war, die Partei hinter der Regierungslogik zum Verschwinden zu bringen. Jetzt geht es darum, die Partei als eigenständigen Faktor zu profilieren – nicht gegen die Regierung, aber eben auch nicht als bloßes Anhängsel. Die Aufgabe ist eine Herausforderung. Lars Klingbeil, der den Job seit 2017 macht, hat gezeigt, welche prägende Kraft man als General­sekretär entfalten kann.

Kühnert, seit Kuurzem Bundestagsabgeordneter aus Berlin, ist einer eloquentesten Redner in der Partei, und zwar nicht nur in seiner Altersklasse. Er ist selbstbewusst, durchsetzungsfähig und diskursiv begabt. Das war beim Juso-Kongress am letzten Wochenende in Frankfurt zu beobachten. Dort hatten manche Jungsozialisten die FDP scharf kritisiert. Der designierte Kanzler Olaf Scholz ermahnte die Jusos („kleiner Tipp von mir“), doch lieber die Union zu kritisieren als den Koalitionspartner FDP.

Kühnert hat in den Koali­tionsverhandlungen das Thema Wohnen und Bauen für die SPD federführend mitverhandelt. Er lobte in Frankfurt erst ausführlich, was die SPD erreicht hat – etwa mit dem Bauministerium künftig wirklich dafür zu sorgen, dass 400.000 neue Wohnungen entstehen und ein Viertel davon sozial gefördert werden.

Doch beim Mietrecht sei vieles am Widerstand der FDP gescheitert, die mehr Mieterschutz komplett boykottiert hätte. Er habe „kafkaeske Situationen“ mit der FDP erlebt. „Mein Tipp“, so seine Replik auf Scholz, sei, besser die Unterschiede zu den Liberalen nicht zu verschweigen. Man brauche vielmehr ein „Kontroversitätsgebot“.

Das war keine Kampfansage an Scholz, sondern der Versuch, den Raum zwischen der Regierungslogik, die Scholz verkörpert, und SPD pur und den Jusos auszumessen. Es ist der Raum, in dem er sich als Generalsekretär bewegen wird.