Barbados schafft die Monarchie ab: Bye-bye Queen

Barbados hat den Schritt zur Republik vollzogen und sich von der britischen Krone getrennt. In Zukunft hat die Karibikinsel eine eigene Staatschefin.

Eine Frau mit Hut, Brosche und Handtasche umringt von uniformierten Würdenträgern

Queen Elizabeth II. und Prinz Philip (ganz rechts) am 16. Februar 1966 auf Barbados Foto: United Archives/imago images

Was gibt es Schöneres, als eine Karibikinsel als Besitz zugesprochen zu bekommen? James I, König von Schottland seit 1567 und dazu noch von England seit 1603, erfuhr nie, dass der englische Schiffskapitän John Powell sich auf der Rückfahrt von Brasilien im Meer verirrt hatte und am 14. Mai 1625 auf einer unbewohnten Insel gelandet war, die er sogleich zum Besitz Seiner Majestät erklärte.

Denn James I war da schon sechs Wochen tot, was aber wiederum Powell nicht ahnen konnte. Es fiel dem nächsten König Charles I zu, die Insel als Privateigentum in Besitz zu nehmen, unter dem Namen, den portugiesische Segler ihr 200 Jahre früher gegeben hatten: „Barbados“ – „die Bärtigen“, womit der Legende nach keine Menschen gemeint waren, sondern Feigenbäume. Die einheimische karibische Bevölkerung war von spanischen Eroberern, die selbst größere Inseln vorzogen als das kleine tropische Idyll von der halben Größe des heutigen Berlin, ausgelöscht worden.

Aus Barbados wurde in den Jahrzehnten darauf die ökonomisch wichtigste britische Kolonie Amerikas. Die Insel wurde zum Pionier für die Anlage von Zuckerrohrplantagen, damals eine neue Sache: nicht mehr Kleinbauern, sondern großflächige Agrarbetriebe sollten das lukrativste globale Handelsgut des 17. Jahrhunderts anbauen. Gepowert wurden die Plantagen durch Sklaven, direkt aus Afrika importiert. Allein zwischen 1640 und 1650 wurden 40.000 Afrikaner auf Barbados angesiedelt und meist schnell zu Tode geschunden.

Der notwendige Jahresnachschub, um die Zahl konstant zu halten, lag bei 4.000. Sie „mahlen in den Mühlen, warten die Öfen, graben auf dieser glühend heißen Insel und haben nichts zu essen außer Kartoffeln, nichts zu trinken als das Kartoffelwasser und die eigenen Tränen, sie werden von einer Plantage an die nächste verkauft oder wie Pferde für die Schulden ihrer Besitzer beschlagnahmt oder zu deren Belustigung ausgepeitscht, sie schlafen in Ställen schlimmer als die für Schweine in England“, wie der karibische Historiker Eric Williams aus einer zeitgenössischen britischen Parlamentsdebatte über die Zustände auf Barbados zitiert.

Schon im 17. Jahrhundert stand das Verbrechen der Sklaverei also keineswegs außer Kritik. Die meisten der Weißen auf Barbados waren zwangsentsandt – ehemalige Strafgefangene, entlassene Bedienstete, denen ein neues Leben angeboten wurde, in dem sie endlich selbst Herren spielen durften. Von ihnen ist wenig geblieben und es wird nicht vermisst.

Die düstere Vergangenheit

Es ist im Gedenken an diese düstere Vergangenheit, dass das 1966 unabhängig gewordene Barbados jetzt seine letzte förmliche Bindung an die britische Krone gelöst hat. Seit Montagnacht ist Barbados eine Republik, die bisherige „Gouverneurin“ Sandra Mason ist Staatspräsidentin anstelle von Queen Elizabeth II. Prinz Charles, der Thronfolger, erinnerte in einer feierlichen Rede an die „fürchterliche Gräueltat der Sklaverei“.

Es war wie eine zweite Unabhängigkeit, genau 55 Jahre nach der ersten. „Tonight’s the night!“ schlagzeilte die Inselzeitung The Nation und veröffentlichte die neue „Charta von Barbados“, die Barbados als „Land gleicher Chancen und Rechte, mit Fairness und sozialer Gerechtigkeit, Frieden und Sicherheit, Solidarität und Kooperation“ definiert. Man werde befreundet bleiben, sagte der britische Prinz.

Der Rest der Welt dürfte erst zu dieser Gelegenheit gemerkt haben, dass Queen Elizabeth II bis dahin Staatsoberhaupt nicht nur von Barbados gewesen ist, sondern auch von einer ganzen Reihe anderer ehemaliger Bestandteile des Empire, und zwar nicht nur kleinen Inseln – in alphabetischer Reihenfolge: Antigua & Barbuda, Australien, Bahamas, Belize, Grenada, Jamaika, Kanada, Neuseeland, Papua-Neuguinea, Salomonen, St. Kitts & Nevis, St. Lucia, St. Vincent & Grenadinen und Tuvalu. Und natürlich das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland.

Das sogenannte „Commonwealth Realm“ ist ein sehr britisches Konstrukt, schlicht und wirkungsvoll zugleich, formal ohne jeden Sinn und Zweck, aber emotional und politisch unhinterfragbar. Es bedeutet, dass ehemalige Kolonien bei der Unabhängigkeit kein eigenes Staatsoberhaupt einsetzen, sondern das bestehende behalten, also die Queen.

Die Vollendung der Selbstständigkeit

Das hat nicht nur dekorative und sentimentale Gründe, sondern ganz reale Vorteile: Die Queen redet Regierungen nicht rein. Man ist ein komplett unabhängiger Staat und spart sich zugleich die Einrichtung eines aufgeblasenen Präsidenten, der eigentlich nur Unsinn macht und den kein Mensch braucht. Die Queen braucht auch kein Mensch, aber sie ist nie da, sie sagt nichts, sie kostet kein Geld, sie verlangt keine teuren Paläste und Garden und man muss sie nicht ständig umständlich wiederwählen oder auswechseln.

Das „Commonwealth Realm“ ist im Laufe der Jahrzehnte immer exotischer geworden. Als Elizabeth II als junges Mädchen 1952 Queen wurde, war das Empire noch halbwegs intakt und jenseits dessen war sie dann noch Königin von Australien, Ceylon (heute Sri Lanka), Kanada, Neuseeland, Pakistan und Südafrika. Nur Australien, Kanada und Neuseeland sind geblieben. Indien war schon 1950 zur Republik geworden. Viele der damaligen Kolonien wurden nach der Unabhängigkeit erst Teil des Realm und verließen es nach wenigen Jahren, sobald sie ihre eigenen präsidialen Arrangements sortiert hatten.

Aber manche blieben, darunter eben auch die allerältesten Kolonien – wie Barbados. Seit Mauritius 1992 hatte bis jetzt allerdings kein Staat mehr das „Realm“ verlassen. Ansinnen dazu gibt es beispielsweise in Australien immer wieder, aber sie wurden nie mehrheitsfähig. Wen will man denn stattdessen? Gerade in den alten weißen Siedlerkolonien verzichtet man lieber auf dieses Dilemma – ebenso in solchen Karibikinselstaaten, wo die politischen Gräben zu tief sind.

Und dennoch: All diese Erwägungen verblassen, wenn man sieht, mit welchem Stolz die „Bärtigen“ der Karibik jetzt die Vollendung ihrer Selbstständigkeit feiern. Die 72-jährige neue Präsidentin Sandra Mason, einst die erste Frau am Obersten Gericht und eine typische Vertrerin der strebsamen, konservativen, tiefgläubigen karibischen Wissenselite, wird der Queen eine würdige Nachfolgerin sein. Und, wie alle der rund 287.000 Bewohner der kleinen Antilleninsel, Erbe einer Geschichte, die ihre Vorfahren überlebt und angenommen haben. Sie nehmen jetzt ihre Insel wieder voll in Besitz. Es wurde auch Zeit.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.