Informationsfreiheit versus Justizvollzug: Digitalisierung im Knast?

Deutschland tut sich schwer mit der Digitalisierung. Besonders schlecht ist die Situation hinter Gittern. Eine Inhaftierung ist immer auch eine Zeitreise in die analoge Vergangenheit. Ein problematischer Vorgang.

Ein kaputtes altes Klapphandy, dessen Monitorteil nur noch an wenigen Kabeln hängt.

Dieses Gerät ist ungefähr so digital wie eine JVA in Deutschland Foto: Alexander Andrews/Unsplash

von LORENZ BODE

Mit der Digitalisierung ist das so eine Sache: Allenthalben wird sie gefordert, jeden gesellschaftlichen Bereich soll sie durchdringen, unaufhaltsam schreitet sie voran. Dennoch wird die Digitalisierung bislang kaum mit dem Justizvollzug in Verbindung gebracht.

Gefordert wird zwar ein möglichst flächendeckender Zugang zu digitalen Medien und zum Internet, aber kaum jemand denkt dabei an Gefangene. Der Grund hierfür liegt auf der Hand: Bei vielen sorgt diese Verknüpfung eher für Unbehagen. Schnell wird ausschließlich über Sicherheitsrisiken oder hohe Kosten geredet.

Die Kritik an der Digitalisierung im Justizvollzug ist dabei vielfach populistisch. Will man das Thema sachlich betrachten, hilft es, sich Folgendes bewusst zu machen: Gefangene sind über Artikel 1, Absatz 3 des Grundgesetzes, der alle staatliche Gewalt, also auch die Justizbehörden, an die Garantien der Grundrechte bindet, weiterhin Grundrechtsträger.

Lorenz Bode, Jahrgang 1989, arbeitet als Staatsanwalt in Stendal. Sein Sachbuch „Eingemauert – Menschen im Strafvollzug“ ist im November 2021 bei epubli Berlin erschienen.

Wahrung der Grundrechte im Vollzug

Die Digitalisierung im Justizvollzug ist daher keineswegs eine Randmaterie, sondern eine gesellschaftliche Aufgabe. Es geht um die Wahrung der Grundrechte im Vollzug.

Im Mittelpunkt der rechtlichen Bewertung steht dabei die Informationsfreiheit. Dies haben der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und der Sächsische Verfassungsgerichtshof bestätigt.

Aus der Sicht beider Gerichte verbietet es sich, digitale Medien im Vollzug pauschal als Sicherheitsrisiko einzustufen. Die Informationsfreiheit bildet vielmehr auch für Inhaftierte das zentrale Freiheitsrecht, wenn es um den Zugang zur digitalen Welt, etwa zu Nachrichtenportalen oder Rechercheseiten, geht.

Unter dem Eindruck der Coronapandemie gewinnt die Debatte weiter an Brisanz. Denn der Besuchsverkehr mit der Familie und mit Angehörigen unterliegt nunmehr aus Gründen des Infektionsschutzes zusätzlichen Beschränkungen. Dieses Problemfeld ist ebenfalls verfassungsrechtlich aufgeladen, wie die Lektüre von Artikel 6, Absatz 1 des Grundgesetzes zeigt, der Ehe und Familie unter den besonderen Schutz des Staats stellt.

Justizvollzug geflissentlich ausgespart

Um die Coronabeschränkungen zu mildern, haben die Justizvollzugsanstalten daher vermehrt digitale Kontaktmöglichkeiten, wie Skype-Videotelefonie oder E-Mail-Dienste, zugelassen. Entgegen vielen Erwartungen sind größere Missbrauchsfälle jedoch bislang nicht bekannt geworden.

Insofern darf man gespannt sein, ob diese Thematik – anders als bei der Bundestagswahl 2021, wo zwar viel über die Digitalisierung in der Justiz gesprochen, der Justizvollzug jedoch geflissentlich ausgespart wurde – bei den kommenden Landtagswahlen 2022 eine Rolle spielen wird.

Richtungsweisende Fortschritte sind bislang allein in Berlin zu beobachten, wo im Anschluss an das 2018 gestartete Pilotprojekt „Resozialisierung durch Digitalisierung“ bald in allen Berliner Haftanstalten den Gefangenen ein Internetzugang dauerhaft bereitgestellt werden soll.

Ohne Zugang zu unabhängigen Medien wie der taz kann eine erfolgreiche Resozialisierung von inhaftierten Menschen kaum gelingen. Doch die Versorgung mit Zeitungsmedien ist im Justizvollzug genauso schlecht wie die Internetverbindung.

Aus diesem Grund hat die taz, zusammen mit dem Verein Freiabonnements für Gefangene e.V., schon vor vielen Jahren die Aktion taz Knastabospende ins Leben gerufen. Das Prinzip dahinter ist einfach: Sie spenden ein Abo, wir schicken die taz hinter Gittern. Jedes gespendete Abo hilft und erreicht erfahrungsgemäß mehr als nur eine:n einzige:n Inhaftierte:n.

Spenden Sie doch jetzt zu Weihnachten ein taz-Abo ins Gefängnis. Unser Vorschlag: 10 Wochen Abo für nur 60 Euro. Mit jeder Knastabo-Spende unterstützen Sie übrigens auch den unabhängigen Journalismus der taz.

Hier können Sie ihre Knastabo-Spende vornehmen.

Wenn Sie eine Spendenquittung benötigen, leiten wir Ihre Buchung gerne an den gemeinnützigen Verein Freiabonnements für Gefangene e.V. weiter.