Impfen allein reicht nicht mehr aus

Corona: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sieht eine „nationale Notlage“ und ruft zu Kontaktbeschränkungen auf. Österreich verhängt Impfpflicht und landesweiten Lockdown

Abstimmung zum Infektionsschutzgesetz am Freitag im Bundesrat Foto: Wolfgang Kumm/dpa

Von Barbara Dribbusch

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) rief am Freitag zu gemeinsamen Anstrengungen auf, um die vierte Welle an Corona-Infektionen zu brechen. „Staatliches Handeln und das Handeln des Einzelnen müssen zusammenkommen“, sagte Spahn. Alleine mit Impfen, mit Boostern werde man das Brechen der Welle „nicht mehr erreichen. Wir brauchen Kontaktbeschränkungen.“

Das Robert-Koch-Institut (RKI) hatte am Freitagfrüh fast 53.000 Positivtests binnen 24 Stunden und eine 7-Tage-Inzidenz von 340,7 gemeldet. Der Wert gibt an, wie viele Menschen je 100.000 Einwohnern sich in den vergangenen sieben Tagen mit dem Virus angesteckt haben. 201 Menschen starben an einem Tag im Zusammenhang mit dem Virus.

Derzeit gebe es eine halbe Million „aktive Covid-19-Fälle“ in Deutschland, „das sind so viele wie noch nie“, sagte der Präsident des RKI, Lothar Wieler. In einem Viertel der 110 Landkreise in Deutschland liege die 7-Tage-Inzidenz bei über 500, in zwölf Kreisen sogar über 1.000, „ganz Deutschland ist ein einziger großer Ausbruch“, so der RKI-Präsident.

Der Bundesrat hat am Freitag in Berlin einstimmig den Änderungen im Infektionsschutzgesetz zugestimmt. Danach gilt künftig am Arbeitsplatz und im öffentlichen Personennahverkehr die 3G-Regel (geimpft, genesen oder getestet). Die Bundesländer können weiterhin Kontakt- und Zugangsbeschränkungen erlassen.

In der Ministerpräsidentenkonferenz der Länder hatten diese beschlossen, die Maßnahmen an die Hospitalisierungsrate anzupassen, also daran, wie hoch der Anteil von Covid-19-Krankenhausfällen pro 100.000 Einwohnern in der Region ist. Bei einer Hospitalisierungsrate von 3 soll die 2G-Regel in Freizeitbereichen und der Gastronomie gelten. Dort sollen also nur noch Geimpfte und Genesene zugelassen werden. Bei einer Hospitalisierungsrate von 6 greift die 2G-plus-Regel in Orten mit hohem Ansteckungsrisiko. Dort müssen Geimpfte und Genesene dann vor Eintritt zusätzlich einen Schnelltest machen. Ab einer Hospitalisierungsrate von 9 sollen die betroffenen Bundesländer weitergehende Maßnahmen ergreifen.

In Bayern liegt die Hospitalisierungsrate bei 9,15. Dort erklärte Ministerpräsident Markus Söder, dass Clubs und Diskotheken in stark betroffenen Regionen geschlossen und Weihnachtsmärkte abgesagt werden. 90 Prozent der Coronapatienten in bayerischen Krankenhäusern seien ungeimpft, berichtete CSU-Mann Söder.

Derzeit sind rund 68 Prozent der Menschen in Deutschland zweimal geimpft. Rund 4,4 Millionen Personen darunter erhielten eine dritte, eine sogenannte Auffrischungsimpfung (Booster), so der jüngste RKI-Wochenbericht. Laut Spahn soll ab dem 20. Dezember das Impfen von Kindern im Alter von 5 bis 11 Jahren beginnen.

Ansteckungsrisiko von Geimpften nimmt zu, Millionen Impfdosen bereitgestellt

Spahn räumte am Freitag ein, dass die Erkenntnis neu gewesen sei, dass das Ansteckungsrisiko von Geimpften über den Zeitlauf wieder zunehme. Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt jetzt Booster-Impfungen für alle Altersgruppen ab 18 Jahren. Inzwischen würden sich wieder mehr Arztpraxen am Impfen beteiligen, so Spahn. Für die nächste Woche hätten die Arztpraxen 5 Millionen Impfdosen bestellt, in der vorletzten Woche seien es nur 1 Million Impfdosen gewesen.

Spahn wies auf die hohe Belastung des Intensivpflegepersonals hin, das die an Covid-19 erkrankten Pa­ti­en­t:in­nen versorgen müsse. 15 Prozent der Pa­ti­en­t:in­nen auf Intensivstationen sind Covid-19-Erkrankte. Das Intensivpflegepersonal müsse für die schwere Arbeit einen Bonus von „5.000 Euro plus“ bekommen, sagte der Gesundheitsminister. Der Finanzierung eines solchen Bonus müsse aber der Finanzminister und die kommende Ampelkoalition zustimmen.

Spahn kündigte zudem an, einen Gesetzentwurf zur Einführung einer Impfpflicht für medizinische und Pflegeberufe zu erarbeiten, wenn die Ampelfraktionen ihn damit beauftragten. Er stehe einer Impfpflicht aber skeptisch gegenüber.

Angesichts des sprunghaften Anstiegs der Corona-Infektionen in Österreich hat die Regierung dort einen landesweiten Lockdown verhängt. Er gilt für 20 Tage und auch für Geimpfte. Zudem wird eine Impfpflicht eingeführt, bis zum 1. Februar muss jeder zweimal gegen das Coronavirus geimpft sein. Bei Verstößen drohen Strafzahlungen. Österreich ist das erste Land in Europa, das zu solchen Maßnahmen greift. (mit afp, rtr)