Afghanistan-Bericht der Bundesregierung: Ungeschönte „Momentaufnahme“

Das Auswärtige Amt hat seit Ende August keine Diplomaten mehr in Afghanistan. Es zeichnet jetzt aber ein realistischeres Bild von dort als früher.

Zwei Frauen in Burkas in Kabul, gesehen aus einem Autofenster

Kabul: Frauen werden hier teilweise aus der Öffentlichkeit verdrängt Foto: Jorge Silva/reuters

BERLIN taz | Die Bundesregierung zeichnet ein düsteres Bild von der Situation in Afghanistan. Das zeigt der aktuelle Lagebericht für Afghanistan des Auswärtigen Amts. Er ist am 21. Oktober erschienen und als „Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft. Die taz konnte ihn jetzt einsehen.

Darin bestätigt das Amt jenes Bild, das man aus den Nachrichten kennt: Die Taliban seien dabei, einen Staat aufzubauen. Zwar hätten sie zugesichert, die Pressefreiheit und Frauenrechte zu wahren. Doch gebe es glaubhafte Berichte über Morde an früheren Militärangehörigen, willkürliche Verhaftungen, Hausdurchsuchungen, schwere Menschenrechtsverletzungen und Folter von Journalisten. Die Versammlungs-, Meinungs- und Pressefreiheit sei deutlich eingeschränkt, Frauen und Mädchen teilweise aus der Öffentlichkeit verdrängt.

Es drohe dem Land eine Hungersnot sowie der vollständige Kollaps. Denn Afghanistans Wirtschaft sei bereits durch die Covid-19-Pandemie und Dürren schwer gezeichnet. Menschenrechtsorganisationen könnten kaum arbeiten, viele ihrer Ver­tre­te­r*in­nen hätten Afghanistan verlassen.

Allerdings weisen die Au­to­r*in­nen des 14-seitigen Papiers darauf hin, dass der Bericht nur eine „Momentaufnahme“ sei. Ein „qualifiziertes und aussagekräftiges Lagebild“ sei nicht möglich, da es in Afghanistan keine offizielle deutsche Präsenz mehr gebe. Der letzte deutsche Beamte habe das Land am 26. August mit dem Ende der Luftbrücke verlassen.

Lageberichte sollen bei Asylentscheiden helfen

Der aktuelle Bericht basiert auf Erkenntnissen internationaler Organisationen und Nichtregierungsorganisationen. Eigentlich dienen diese Lageberichte unter anderem dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) als Entscheidungshilfe in Asylfragen.

Der letzte Bericht erschien im Juli und wurde von Ex­per­t*in­nen als verharmlosend kritisiert. Viele Informationen seien veraltet gewesen. In der taz schrieb Thomas Ruttig damals, der Bericht habe ein geschöntes Bild der Sicherheitslage gezeichnet, um Abschiebungen zu erleichtern.

Seit dem 11. August, vier Tage vor Einmarsch der Taliban in Kabul, schiebt Deutschland nicht mehr nach Afghanistan ab. Nach Informationen der dpa soll der aktuelle Bericht keinen Einfluss auf die Entscheidungspraxis des Bamf haben. Das warte auf Leitlinien des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen.

Die Bundesregierung evakuiert nur schleppend weiter Menschen aus Afghanistan. Seit Mitte August sind rund 6.500 Menschen aus Afghanistan in Deutschland gelandet. In Regierungskreisen rechnet man damit, dass noch etwa 25.000 Menschen mit einer Aufnahmezusage für Deutschland in Afghanistan oder den Nachbarländern sitzen.

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