Wahlen im US-Staat Virginia: Konfrontation mit der Basis

Bei den Gouverneurswahlen gewinnt im US-Staat Virginia ein Republikaner. In vielen großen Städten waren jedoch DemokratInnen siegreich.

US-Präsident Joe Biden

US-Präsident Joe Biden: Tief geknickt über das Wahlergebnis in Virginia Foto: Evan Vucci/ap

WASHINGTON taz | Für die regierenden Demokraten war es eine durchwachsene Konfrontation mit der Realität an der Wählerbasis: Bei den Gouverneurswahlen in Virginia, am Südrand der US-Hauptstadt Washington, verloren sie einen noch vor wenigen Monaten sicher erscheinenden Platz an den Republikaner Glenn Youngkin, einen Investmentbanker bar jeder politischen Erfahrung. In New Jersey, südlich von New York City, ist der republikanische Herausforderer dem demokratischen Amtsinhaber und ehemaligen US-Botschafter in Deutschland, Phil Murphy, so nahe gekommen, dass es bis Redaktionsschluss noch kein amtliches Ergebnis gab.

Bei den gleichzeitigen Kommunalwahlen quer durch die USA hingegen schafften die Demokraten eine Erneuerung an der Spitze zahlreicher Großstädte. In mehrere Rathäuser zogen erstmals Nicht-Weiße Bürgermeister und vereinzelt auch Frauen ein.

Michelle Wu, Siegerin der Kommunalwahlen in Boston

„Dies ist unser aller Wahlsieg“

„Dies ist unser aller Wahlsieg“, sagte eine strahlende Michelle Wu am Wahlabend in Boston. Hinter ihr stand eine geschlossene Reihe von Frauen. Die 36-jährige Wu, deren Familie aus Taiwan eingewandert ist, als sie ein Kind war, kommt vom progressiven Flügel der Partei. Die erste Frau und die erste asiatische Amerikanerin an der Spitze von Boston ist mit 63,6 Prozent der Stimmen gewählt worden. Sie plant zahlreiche Reformen für Einwanderer, für Mieter und für Menschen mit niedrigem Lohn. Wu, die an der Harvard Universität Jura studiert hat, will Boston zu einer „Green New Deal City“ machen.

New York bekommt schwarzen Bürgermeister

New York City hat am Dienstag den zweiten Schwarzen Bürgermeister seiner Geschichte gewählt. Der 61-jährige Eric Adams, ein ehemaliger Polizeichef, kommt vom rechten Flügel der Demokratischen Partei, muss die Stadt aber in Zukunft zusammen mit mehreren Linken und erklärten Sozialisten regieren. Adams ist Radfahrer und Veganer.

Er hat ein entschlosseneres Vorgehen gegen Kriminalität, aber auch mehr Sozialwohnungen und Hunderte von Kilometern zusätzlicher Radwege versprochen. Wie alle anderen neu gewählten Bürgermeister wird Adams das Amt im Januar antreten. Er löst in New York Bill de Blasio ab, der in seinen zwei Amtszeiten unpopulär geworden ist, aber mit einer Kandidatur für das Gouverneursamt von New York liebäugelt.

In der heruntergekommenen Industriestadt Buffalo, im Norden des Bundesstaates New York, hat die offizielle Kandidatin der Demokratischen Partei die Eroberung des Rathauses verfehlt. Die 39-jährige India Walton, eine Krankenschwester, war die erste erklärte Sozialistin in den USA, die nach sehr langer Zeit als logische Bürgermeisterin einer Großstadt erschien.

Rückschlag für Demokraten in Buffalo

Doch nachdem sie Vorwahlen in Buffalo gewann, rückte der Apparat der Demokratischen Partei auf Abstand. Der bei den Vorwahlen gescheiterte Bürgermeister Byron Brown zog sich nicht zurück, sondern machte mit der Unterstützung von finanzstarken Geldgebern einen Anlauf als Unabhängiger, den er am Dienstag gewann.

In Minneapolis, der Stadt in Minnesota, in der im vergangenen Jahr nach dem Mord an George Floyd die Proteste gegen die Polizei begonnen hatten, fand am Dienstag neben der Bürgermeisterwahl auch ein Referendum über die Umwandlung der örtlichen Polizei statt. Nachdem es im letzten Jahr so aussah, als ob die Mehrheit der Wähler eine neue „Behörde für die öffentliche Sicherheit“ haben wollten, stimmten am Dienstag die meisten für die Beibehaltung der bisherigen Polizei.

Die Ergebnisse der Gouverneurswahlen werden den Demokraten in Washington den größten Ärger machen. Ex-Präsident Donald Trump wertete das Wahlergebnis als Sieg. Nicht nur für seine Partei, sondern auch für sich und als Referendum gegen Joe Biden.

Zitterpartie vor der Wahl

Der US-Präsident hatte vom Klimagipfel in Schottland aus optimistisch erklärt, dass sein Kandidat, für den er mehrfach über den Potomac-Fluss nach Virginia gegangen war, selbstverständlich gewinnen würde. Aber in den letzten Wochen vor der Wahl zeichnete sich eine Zitterpartie ab. Sämtliche Schwergewichte der Partei zogen an der Seite von Terry McAuliffe in den Wahlkampf.

Der Verlierer, ein ehemaliger Gouverneur von Virginia und ein Mann, der einst im Wahlkampfteam von Hillary Clinton gearbeitet hat, bestritt seine Kampagne vor allem mit Negativslogans. Sein Hauptargument gegen den siegreichen Youngkin war, dass der „wie Trump“ sei. Youngkin hatte ein leichtes Spiel, dieses Argument zu entkräften, indem er Trump fernhielt. Und indem er sich im Wahlkampf auf ein Thema konzentrierte, das scheinbar wenig mit Trump zu tun hat: die Schulen, an denen weiße Kinder angeblich mit Rassismusvorwürfen indoktriniert werden.

Den Bewohnern von Virginia geht es wirtschaftlich besser als vielen US-Amerikanern. In ihrem Bundesstaat boomt die Wirtschaft, was viel damit zu tun hat, dass zahlreiche Rüstungskonzerne dort ansässig sind. Die Wähler selbst erklärten am Wahltag, dass sie drei wichtige Themen im Sinn hatten: die wirtschaftlichen Situation, die Pandemie und die Qualität des Unterrichts.

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