Verhüllungsgebot für weibliche Brüste: Vielleicht jetzt doch oben ohne

Der Geschäftsführer der öffentlichen Bäderbetriebe in Göttingen rudert zurück. Er hat nun doch Verständnis, wenn Frauen Gleichberechtigung fordern.

Eine Frau mit Bikinioberteil sitzt neben einem Mann mit freiem Oberkörper

Wer welche Körperstellen bedecken muss, ist historisch und kulturell verschieden Foto: Sebastian Gollnow/dpa

GÖTTINGEN taz | In den öffentlichen Göttinger Schwimmbädern könnte das unausgesprochene Verhüllungsgebot für weibliche Brüste aufgehoben werden. Nach Artikeln in der taz und im Göttinger Tageblatt über eine 30-Jährige, die im August aus einem städtischen Spaßbad geworfen worden war, weil sie im Sole-Becken ihr Oberteil ausgezogen hatte, lenkt der Geschäftsführer der städtischen Göttinger Sport- und Freizeit GmbH jetzt ein. „Wir haben für den Wunsch von einigen Nutzer:innen, dass unser Schwimmbad von allen Besuchern auch ohne Badeoberbekleidung besucht werden kann, großes Verständnis“, schrieb Andreas Gruber der taz am Dienstag.

Die geltende Badeordnung würde jetzt überprüft und diskutiert, inwiefern „eine neue mögliche veränderte öffentliche Wahrnehmung in der Haus- und Badeordnung berücksichtigt werden könnte“. Weiter heißt es: „Da die Eiswiese ein öffentlicher Raum ist, müssen Veränderungen in der Gesellschaft und auch von Gesellschaftsbildern immer wieder mitberücksichtigt und neu betrachtet werden. Daher muss geklärt werden, welche Badebekleidung als angemessen und übereinstimmend mit den gesellschaftlichen Vorstellungen gelten soll und für alle Nut­ze­r:in­nen möglich erscheint.“

Das stellt eine 180-Grad-Wende dar zu seinem bisherigen Standpunkt. In einer Mail vom 13. Oktober an die von dem Rauswurf betroffene Mina Berger* hatte Gruber das Verhalten der beiden Bademeister verteidigt, die die einen Kopf kleinere Frau nach ihrer Aussage teilweise aggressiv aufgefordert hätten, sich zu bedecken. „Wir sehen keinen Anlass, an unserer Badeordnung etwas zu ändern und würden zukünftig wieder wie geschehen verfahren“, hatte Gruber geschrieben. Er begründete dies damit, dass „das eine Geschlecht vor sexuell motivierten Verhaltensweisen und Blicken des anderen Geschlechts (oder sonstiger anderer Geschlechter) besser geschützt werden soll durch die Bedeckung der primären und sekundären Geschlechtsmerkmale“. Schließlich solle das Schwimmbad „nicht zum Schauplatz von triebhaften Personen werden“.

Mina Berger hatte in einem Gespräch mit der taz darauf hingewiesen, dass diese Argumentation derer ähnelte, nach der Vergewaltigungsopfern die Schuld an dem Verbrechen gegeben wird, weil sie sich falsch angezogen hätten oder nachts durch dunkle Parks gelaufen seien. Zudem sei sie auch mit bedeckter Brust nicht vor Anglotzen, Sprüchen und Übergriffen geschützt.

Gleichstellungsbeauftragte ist zuversichtlich

Das hatte das Göttinger Bündnis „Gleiche Brust für alle“, das Mina Berger unterstützt, am Montag in einem offenen Brief an Gruber ausgeführt. „Wenn ein Mensch in Ihrem Schwimmbad (sexuell) belästigt oder anderweitig diskriminiert wird, haben Ihre Ba­de­meis­te­r*in­nen dafür zu sorgen, dass die Belästigung gestoppt wird.“ Die Belästigung sei der Fehler und nicht die Bekleidung.

Auf den offenen Brief reagierte Gruber als Geschäftsführer der städtischen Göttinger Sport- und Freizeit GmbH nicht. Er begründete dies in einer Antwortmail damit, dass es sich um einen anonymen Brief handle.

Mina Berger hofft jetzt, dass den Worten Taten folgen werden, dass sich wirklich etwas ändert und alle entscheiden können, ob sie ihre Brust bedecken oder nicht.

Zuversichtlich ist die Göttinger Gleichstellungsbeauftragte Christine Müller. „Da kommt etwas in Bewegung“, sagt sie. Denn schließlich sei der Umgang mit Nacktheit kulturell und historisch geprägt. „Da kann nichts in Stein gemeißelt sein, wir müssen das diskutieren.“

*Name von der Redaktion geändert

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