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: Stützen derKultur der Angst

Beim DOSB soll nach dem Abgang des Präsidenten alles gut werden. Dabei geht es um viel mehr

Wenn es einer von euch noch einmal wagen sollte, zu behaupten, dass ich Angst verbreiten würde, dann mache ich euch fertig.“ Dies könnte eine Sprechblase aus der Comic-Welt sein, in der wohl bekannte Menschentypen manchmal so herrlich pointiert und überspitzt nachgezeichnet werden. Wer Interesse an schrägen Karikaturen aus dem menschlichen Universum hat, wird allerdings auch in der Sportwelt bestens unterhalten. So wurde die eingangs vorgestellte, so absurd einschüchternde Botschaft in einer leicht abgewandelten Variation von Alfons Hörmann, dem noch amtierenden Präsidenten des Deutschen Olympischen Sportbundes, signiert.

Wie diese Woche bekannt wurde, hat der oberste deutsche Sportfunktionär seine vermutlich am meisten beanspruchten Mitarbeiter, die Anwälte, auf das ehemalige DOSB-Vorstandsmitglied Karin Fehres angesetzt. Mit Hilfe eines Sprachsachverständigen will man erkannt haben, dass der ausgewiesenermaßen von mehreren verfasste anonyme Brief, in dem Hörmann als Begründer einer Kultur der Angst im DOSB angegriffen wurde und der letztlich zu seinem angekündigten Rückzug aus dem Amt führte, ausschließlich von Fehres stammen könne. Um ein Strafverfahren gegen sie abzuwenden, müsse sie sich als alleinige Verfasserin des Briefes bekennen. Fehres erklärte, sie habe nicht an diesem Brief mitgewirkt.

Obendrein hat sich Hörmann und die DOSB-Führung durch selbst beauftragte Gutachten bescheinigen lassen, dass es keine Kultur der Angst gebe. Vielleicht liegt das größte Talent des Sports tatsächlich in der Komik. Wenn Hörmann, der sich in den letzten Wochen als Opfer einer Intrige inszeniert, sich einzelne vermeintliche Ge­gen­spie­le­r:in­nen herauspickt, weiß er um die kollektive Wirkung solcher Maßnahmen. Ein Glück nur, könnte man denken, dass dieser Spuk bald zu Ende ist, und die Findungskommission mit den Sport­funk­tio­nä­r:in­nen Claudia Bokel und Thomas Weikert sowie CSU-Politiker Stephan Mayer drei Kandidaten für die Wahl der Hörmann-Nachfolge am 4. Dezember in Weimar vorgeschlagen hat.

Alle reden vom Neuanfang. Doch so einfach ist das nicht. Das Problem des DOSB, der es in den letzten Jahren geschafft hat, den Unmut der eigenen Belegschaft, der Landessportbünde, der Spitzensportverbände, der Po­li­ti­ke­r:in­nen und des Internationalen Olympischen Komitees auf sich zu ziehen, lässt sich nicht personalisieren. Es geht um weit mehr als um die Hörmann-Nachfolge. Eine Kultur der Angst speist sich nicht aus einer einzigen Quelle. Der Brief, mit dem Karin Fehres unter Druck gesetzt wurde, haben beispielsweise auch die Vorstandschefin Veronika Rücker und Finanz-Vorstand Thomas Arnold unterschrieben. Und auch diese dürften auf weitere Stützen im System angewiesen gewesen sein.

Wie wenig Führungswechsel in einem maroden System bewirken, kann man beim Deutschen Fußball-Bund studieren, seitdem Präsident Wolfgang Niersbach 2015 über die dubiosen Vorgänge bei der Vergabe der WM 2006 nach Deutschland stürzte.

Das hat zudem mit den intransparenten Vorgängen bei der Kandidatenauslese zu tun. Die DOSB-Findungskommission siebte etwa Stefan Klett, den Präsidenten des Landessportbundes Nordrhein-Westfalen als möglichen Hörmann-Nachfolger aus. Welche Kriterien dabei angelegt wurden, wird der Fantasie der Wahlberechtigten überlassen. So verzichtet Klett lieber auf seine Möglichkeit, auch gegen das Votum der Kommission in Weimar anzutreten. Als Einzelkämpfer hat er keine Chance. Wenn sich die drei Präsidentschaftskandidaten am Sonntag den Mitgliedsorganisationen des Dachverbandes in Düsseldorf vorstellen, sollten ihre inhaltlichen und personellen Vorstellungen zur Teamarbeit genau abgefragt werden. Johannes Kopp