Institut in Bayern gegründet: Akademie der Coronaverharmloser

Eine ausgerechnet nach Hannah Arendt benannte neue Akademie macht Stimmung gegen die Coronapolitik. Mit dabei: die üblichen Verdächtigen.

Demonstrierende gegen die Corona-Maßnahmen in Berlin halten ein Transparent mit Hannah Arendt auf dem steht: "Der Sinn von Politik ist Freiheit."

Auch Corona-Protestler im April in Berlin vereinnahmten Hannah Arendt für sich Foto: Stefan Boness/Ipon

BERLIN taz | Schon der Name ist eine Anmaßung. „Hannah Arendt Akademie der Denker“ nennt sich die im bayerischen Starnberg gegründete Einrichtung. Die Ini­tia­to­r:in­nen berufen sich mit der US-amerikanischen Historikerin Arendt auf das Konzept der „Pluralität“ im politischen Raum – und haben doch mit ihren aktuell gut zwei Dutzend Do­zen­t:in­nen und Gast­red­ne­r:in­nen vor allem jene versammelt, die sich mit ex­tre­mem Misstrauen gegen alle Maßnahmen zur Eindämmung der Corona­pandemie wehren.

Das verschwörungsideologische Portal Rubikon bewirbt die Akademie denn auch euphorisch. Die Rede ist dort von einem „Hoffnungs-Quickie“, der „Geburt einer neuen Bildungskultur“ und einem „Studium auf höchsten wissenschaftlichem Niveau“.

Katharina Schulze, Grünen-Fraktionsvorsitzende in Bayern, sagt dagegen: „Hannah Arendt würde sich im Grabe umdrehen, wenn sie mitbekommen könnte, wer ihren Namen missbraucht.“ Die Akademie komme im Gewand einer Universität daher, sei aber ein „kruder Zusammenschluss von mindestens Co­ro­na­ver­harm­lo­se­r:innen“. Schulze warnt: „Man sollte nicht auf deren Angebot reinfallen.“

Juristisch betrachtet haben die Ini­tia­to­r:in­nen des Projekts nichts falsch gemacht. Ausdrücklich verzichteten sie darauf, sich als Hochschule akkreditieren zu lassen und stellen zwar Bescheinigungen über Teilnahmen am Lehrbetrieb aus, jedoch keine staatlich anerkannten Zertifikate.

Begriff der Akademie ist nicht geschützt

Ein Sprecher des bayerischen Wissenschaftsministeriums sagt auf taz-Anfrage, der Name „Akademie“ sei – anders als die Bezeichnungen „Universität“, „Hochschule“ oder „Fachhochschule“ – nicht geschützt. „Ein wissenschaftlicher Verein, der sich Akademie nennt, unterliegt keiner Kontrolle durch das Wissenschaftsministerium.“

Seit nun einer guten Woche werden ein Studium generale mit Vorlesungen und Seminaren angeboten, daneben eine interdisziplinäre Ringvorlesung, in der Gast­do­zen­t:in­nen laut Selbstdarstellung „aktuelle Themen der Zeit analytisch, kritisch und schöpferisch reflektieren“ – im laufenden Wintersemester alles zunächst online.

Zur illustren Runde der Vortragenden gehören etwa der ultrarechte Chef der Werte-Union, Max Otte. Der als Aidsleugner, Verschwörungsideologe und Impfgegner bekannte Stefan Lanka, der bei Querdenken in Stuttgart demonstrierte und seine kruden Thesen bei Ken FM ausbreitete – und der nun Gastredner für Meeresbiologie werden soll. Der Hamburger Professor und Klimawandelleugner Ralf Otterpohl, der auch schon mal für die rechte Anastasia-Bewegung warb. Oder der Psychotherapeut Franz Ruppert, der im Bundestagswahlkampf für die Partei Die Basis warb und meint, Todesangst vor Corona sei abwegig. „Die ganzen Maßnahmen machen die Menschen krank, von vorn bis hinten.“

Daniele Ganser wiederum, der die ermittelten Ursachen für die Terroranschläge am 11. September 2001 bezweifelt, wird zum Gastredner für Geschichte. Der Youtuber Gunnar Kaiser, aktiv in Netzwerken von Co­ro­na­leug­ne­r:in­nen, wird zum Dozenten für Philosophie. Und, und, und. Fehlte eigentlich nur noch der Schauspieler Jan Josef Liefers, der tatsächlich im Oktober noch als Redner für den Bereich Film/Schauspiel angekündigt, dann aber ohne Erklärung wieder von der Liste genommen wurde.

Hinter allem stecken als Macher Christian Klammer und seine Frau, die zusammen in Starnberg ein Schuhgeschäft führten, und der Rubikon-Autor Matthias Burchardt aus Köln. Angeblich arbeiten alle Lehrkräfte zunächst ehrenamtlich.

Initiator sieht Land auf dem Weg in „einen Unrechtsstaat“

Christian Klammer weist den Verdacht, er betreibe eine Art „Querdenken-Uni“, empört zurück. Damit werde die Ini­tia­tive, die „riesigen Zuspruch“ habe und „große Begeisterung“ auslöse, „verunglimpft“. Die Kritik an den Coronamaßnahmen sei keinesfalls die einigende Klammer für das Vorhaben.

Berufen worden seien „anerkannte Wissenschaftler“, die zu Unrecht als Verschwörungstheoretiker, Querdenker und Spinner abgestempelt würden. In der Debatte kämen sie „nicht zu Wort“. Dann behauptet Klammer, es gebe nicht nur eine „Pandemie der Ungeimpften“, sondern auch eine der Geimpften. Klammer spricht von einer „Intensivbettenlüge“ und sieht „schwere demokratische Verwerfungen“ in der Coronakrise: „Wir sind auf dem besten Weg in einen Unrechtsstaat.“

„Problematische Narrative werden normalisiert“

Die Wissenschaftlerin Pia Lam­ber­ty, die zu Verschwö­rungs­ideo­logien forscht, warnt indes vor der „Akademie“. Die Dozierenden seien Personen, „die immer wieder durch die Verbreitung von Falschinformationen und mindestens verschwörungsideologisches Geraune aufgefallen sind“. Und: „So werden problematische Narrative in der Gesellschaft weiter normalisiert.“

Auch die bayrische Grünen-Fraktionschefin Schulze fordert, Verschwörungsmythen müsse „umfassend entgegengetreten und die Verbindungen der Personen in die rechtsextreme Szene aufgeklärt werden“.

Der SPD-Landtagsabgeordnete Florian Ritter warnt: „Die krude Mischung aus harten Verschwörungsideologen und gemäßigter auftretenden Maßnahmenkritikern hat ziemlich offensichtlich das Ziel, an Menschen heranzukommen, die verunsichert sind und sich eine offene Diskussion wünschen. Herangeführt werden sie dann aber an Chemtrail-Ideologen oder an Leute, die Angst vor einem Wirtschaftskollaps befeuern, um aus dieser Angst Profit zu schlagen.“ Der moderate Ton auf der Homepage der Akademie stehe „in keinem Verhältnis zu den Fake-News und radikalen Aussagen, die viele aufgeführte,Dozenten' in der Vergangenheit verbreitet haben“, so Ritter.

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