Koalitionsgespräche zu Stadtentwicklung: Sei schlau, verlass den Bau

SPD, Linke und Grüne streiten um Wohnungsneubau und Regulierung. Ein Bausenator könnte Kompetenzen verlieren. Muss die Linke am Amt festhalten?

Sebastain Scheel mit gezücktem Bauhelm auf einer Baustelle

Sebastian Scheel: Abschiedsgruß als Bausenator? Foto: dpa

BERLIN taz | Vielleicht ist Sebastian Scheel sogar froh. Wenn SPD, Grüne und Linke am Ende ihrer Koalitionsverhandlungen um die Ressortverteilung schachern, ist es gut möglich, dass der Bausenator der Linken leer ausgeht. Aber wäre das so schlimm? In seiner Partei mehren sich die Stimmen, die sagen: wohl eher nicht.

Sei schlau und verlass den Bau statt des alten Kalauers also: Sei schlau, geh zum Bau? Die Frage ist ja, ob die Baustelle Stadtentwicklung für die Linke eine ist, auf der sie Erfolg haben könnte. Zuletzt hatte das Oberverwaltungsgericht in Leipzig das Vorkaufsrecht gekippt, mit dem in Milieuschutzgebieten Häuser vor Spekulation geschützt werden konnten. Auch der Mietendeckel ist Geschichte.

Hinzu kommen die Streitpunkte, die die Facharbeitsgruppe Stadtentwicklung/Mieten auf ihrer letzten Sitzung am Mittwoch festgehalten haben. Umstritten bleibt etwa, wie stark die sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften reguliert werden sollen. Über Kooperationsvereinbarungen, höheren Sozialquoten, weitere Einhaltung der Mietendeckel-Regeln und Vorgaben für günstigen Neubau wurden die Gesellschaften in den vergangenen fünf Jahren an die Kandare genommen – auch infolge des Mietenvolksentscheids von 2015.

Geht es nach der SPD, soll die Leine wieder länger werden. Mehr Freiheiten, auch teurer zu vermieten und zu bauen, sollen den Gesellschaften Handlungsspielraum verschaffen, um ohne Landeszuschüsse zu wirtschaften und weiter hohe Neubauzahlen zu liefern. Einer der Verhandler nannte es so: „Wer günstige Wohnungen anbietet, soll im Gegenzug auch eine Dachgeschosswohung als Eigentum verkaufen dürfen.“

Es könnten also weitere mietenpolitische Instrumente aus dem Kasten fallen, die Scheel zu Beginn seiner Amtszeit noch zur Verfügung standen. „Wenn wir nicht gestalten können, brauchen wir das auch nicht machen“, heißt es in der Linken zur Frage, ob sich die Partei noch einmal um das Ressort bemühen solle.

Große Streitpunkte offen

Zwar sei die letzte Verhandlungsrunde harmonisch verlaufen, heißt es bei den Grünen. Doch zwischen SPD auf der einen und Grünen und Linken auf der anderen Seite habe es mächtig geknirscht. Ursprünglich sollten die Verhandlungen der Fachgruppe schon abgeschlossen sein. Stattdessen ging es in die Verlängerung. Grundlegende Dinge sind ungeklärt, „die richtigen Fights kommen jetzt erst“, heißt es. Vermutlich ab Freitag soll die Dachgruppe Stadtentwicklung/Wohnen versuchen, die 25 Streitpunkte auszuräumen.

Dazu gehört nicht zuletzt der Neubau. Von Linken und Grünen heißt es, der SPD sei es egal, ob neuer Wohnraum auch bezahlbar ist. Bei der Bebauung der Elisabethaue im Norden Pankows will die SPD mehr als die im neuen Pankow-Bündnis aus SPD und CDU vereinbarten beschlossenen 1.000 Wohnungen. Die Rede war zuletzt von 5.000 Wohnungen. Bei nur 1.000 Wohnungen, so die SPD, lohne es sich nicht, das Gebiet verkehrlich zu erschließen.

Einige Streitpunkte sind indes ausgeräumt. So sollen die 20.000 neuen Wohnungen pro Jahr nicht nur auf der grünen Wiese entstehen, sondern auch im Bestand, etwa durch Aufstockung. Auch die Bauhütte, mit der schneller und in großem Maßstab Holzwohnbauten errichtet werden können, steht im Konsenspapier.

Um den Neubaubedarf zu ermitteln, soll der Stadtentwicklungsplan Wohnen bis 2023 überarbeitet werden. Dieser hatte bislang von 2017 bis 2030 194.000 Wohnungen als Ziel genannt – 68.000 davon sind schon gebaut. Doch von der SPD kam dagegen die Zahl von weiteren 200.000 Wohnungen in den kommenden zehn Jahren. An dieser Marke hatte zuletzt der BUND angesichts des rückläufigen Bevölkerungswachstums Zweifel angemeldet.

Sicher ist indes: Es bleibt beim Ziel von 20.000 neuen Wohnungen pro Jahr. Für eine Linke-Bausenatorin droht damit die Gefahr: Werden nur 19.300 erreicht, würde die SPD, wie schon zuvor bei Scheels Vorgängerin Katrin Lompscher, den Finger erheben. Warum sollte sich die Linke also ins Blaming-Kreuzfeuer begeben? Da wäre es einfacher, den Finger zu erheben, wenn eine Sozialdemokratin auf dem Chefsessel die Zielmarke verfehlt.

Kompetenzen bei Giffey?

Die SPD baut indes vor, falls sie das Bauressort doch nicht bekommen sollte, um dennoch die Kontrolle über den Neubau zu behalten. Wichtige Funktionen bei der „Koordinierung“ des Wohnungsneubaus sollen künftig nicht mehr in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen angesiedelt sein, sondern in der Senatskanzlei der designierten Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey.

Über das Geld, so war zu hören, wurde in der Facharbeitsgruppe nicht gesprochen. Das ist nun die Aufgabe der Dachgruppe, die auch darüber entscheiden muss, ob künftig 5.000, 6.000 oder 7.000 Wohnungen jährlich gefördert werden. Unstrittig ist, dass mehr als bisher auch private Investoren zum Zug kommen sollen. Dafür ist nach Hamburger Vorbild ein Wohnungsbündnis geplant, in dem Senat und Bezirke, aber auch landeseigene Wohnungsbaugesellschaften und Investoren vertreten sind. Hier wird noch über die Ausgestaltung gestritten.

Dann wird man auch sehen, wie attraktiv der Posten des Bausenators wirklich ist. Während die Linke da ihre Zweifel hat, ist von den Grünen zu hören, dass die Bauverwaltung auch bei eingeschränktem Handlungsspielraum der Schlüssel sei für ökologisches Bauen. Allerdings wollen die Grünen auch Verkehr und Umwelt. Beides ist wohl unrealistisch.

Größter Knackpunkt aber bleibt der Umgang mit dem erfolgreichen Volksentscheid Deutsche Wohnen und Co. enteignen. Das heikle Thema war bislang weitgehend ausgeklammert worden und wird wohl in einer „Nacht der langen Messer“ der Koalitionsspitzen entschieden werden müssen, wie manche unken. Entscheidend wird sein, ob eine Expertengruppe, die gebildet werden soll, einen konkreten Umsetzungsauftrag erhält.

Dass hieran eine rot-grün-rote Koalition auch scheitern könnte, zeigt ein Rumoren innerhalb der Linken. Aufgrund eines befürchteten Rollbacks in der Stadtentwicklungspolitik und Nichtumsetzung des Volksentscheids soll es noch vor dem Mitgliederentscheid über den Koalitionsvertrag einen Sonderparteitag geben. Einen entsprechenden Antrag haben mehr als 25 Prozent der Delegierten diese Woche bei der Partei eingereicht.

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