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: „Heute ist der Schleier negativ besetzt“

Die Komödie „Let’s talk about Sex, Fatma“ will mit Vorurteilen über Kopftuchträgerinnen aufräumen

Foto: privat

Saher Khanaqa-Kükelhahn

53, ist Psycho­therapeutin und Kurdin aus dem Irak.

Interview Paul Petsche

taz: Frau Khanaqa-Kükelhahn, kann eine Frau mit Kopftuch Spaß an Sex haben?

Saher Khanaqa-Kükelhahn: Ja, und wie.

Wird ihr das nicht zugetraut?

Ihr wird die Sexualität, die Weiblichkeit und die Leidenschaft abgesprochen. Sie sei keine richtige Frau, sie sei ein Neutrum. Ein Objekt der Unterdrückung, den rigiden islamischen Gesetzen unterworfen.

Aber ist da nicht auch etwas dran?

Es ist klar, dass man in Afghanistan nicht super viel über Sex reden kann. Aber die Frauen dort haben ja auch eine Sexualität. Dass unter dem Gewand ein Körper ist, mit all seinen Reizen, darüber wird nicht nachgedacht. Zumindest nicht hier in Deutschland.

Haben Sie das selbst erlebt?

Als ich noch nicht lange in Deutschland war, habe ich mal einen Spruch über Sex gemacht. Alle waren schockiert! „Wie kann eine Kurdin aus dem Irak, wo Frauen unterdrückt werden, das Wort Sex aussprechen?“ Ich kenne Dozentinnen an der Uni, die Kopftuch tragen und gefragt werden, ob sie Putzfrauen sind. Dozentinnen mit Kopftuch können die Leute sich nicht vorstellen. Früher gab es das Bild der geheimnisvollen, sinnlichen Orientalin aus „Tausend­undeiner Nacht“. Heute ist der Schleier negativ besetzt. Die Putzfrau hat keine solchen Reize.

Was hat sich geändert?

Es gibt mehr Begegnungen. Damals haben nicht so viele Kurdinnen, Türkinnen und Araberinnen in Europa gelebt. Es gab keine Migration, keine Arbeitsabkommen.

Wollen Sie die sinnliche, erotische Orientalin zurückbringen?

Szenische Lesung „Let’s talk about Sex, Fatma“von Saher Khanaqa-Kükelhahn, Yasemin Noll und Sema Mutlu: heute, 19 Uhr, Bremen, Zentralbibliothek am Wall

Nein. Wir spielen mit dieser Figur, aber wir müssen sie nicht zurückbringen, denn es gibt sie bereits, in jeder Frau. Im Rahmen meiner Arbeit lerne ich viele Frauen intim kennen. Ich habe sie gebeten, mir Texte zu schicken. Es sind bildbrechende, vorurteilsbrechende Texte, die zeigen, dass auch eine Türkin mit Schleier die gleichen Gefühle, die gleichen Schwierigkeiten hat wie eine Deutsche oder eine Französin.

Was muss geschehen, um die Vorurteile auszuräumen?

Mehr Begegnungen.

Wollen Sie am Ende ein neues Bild der Orientalin schaffen?

Nein. Diese inneren Bilder müssen uns nicht bestimmen. Wir wollen ja authentische Texte von authentischen Figuren vortragen. Szenisch, vielleicht ein wenig satirisch, aber auch schön.