Proteste in Sudan: Armee hält sich zurück

Drei Tote beim Vorgehen der Armee gegen Demonstrationen am Samstag. Die Demokratiebewegung macht mit Streiks weiter.

Männer teilweise mit Fahnen auf einer Straße

Einer der vielen Aufmärsche der Protestbewegung in Khartum, Samstag 30. Oktober Foto: Mohamed Nureldin/rtrMOHAMED NURELDIN ABDALLAH REUTERS

AMSTERDAM taz | Der Protestmarsch mehrerer hunderttausend Menschen in Sudans großen Städten am Samstag gegen den Militärputsch in ihrem Land hat deutlich gemacht, wie groß der Widerstand gegen die Machtübernahme durch die Generäle ist, aber nichts an der Situation geändert.

Die Erwartung ist, dass in den kommenden Tagen deutlich werden soll, ob Putschführer General Abdel Fattah al-Burhan seine Macht konsolidieren wird oder ob er seine Hand überspielt hat. Jedenfalls wurde am Sonntag noch massenhaft gestreikt in Sudan, wo die Bevölkerung überwiegend muslimisch und Sonntag der erste Arbeitstag der Woche ist.

Bei den Demonstrationen am Samstag wurden drei Menschen totgeschossen, so meldet eine Ärztegewerkschaft. Krankenhäuser melden mehr als hundert Verwundete, meistens durch Schüsse. Die Militärbehörden verneinen, dass Soldaten scharf geschossen haben.

Aber Augenzeugen melden, dass die Armee nicht nur Tränengas einsetzte, um Demonstranten am Vordingen zum Armeehauptquartier in Khartum zu hindern, sondern auch geschossen hat.

Kommunikation größtenteils unterbrochen

Schon in den Tagen vor dem Aufmarsch vom Samstag waren bei Protesten nach lokalen Angaben elf Menschen getötet worden. Berichte sind schwer zu verifizieren, weil die Kommunikation von außen größtenteils unterbrochen ist. Aber es gelang einigen, vor allem mit Hilfe von Twitter, Videos und Berichte in die Außenwelt zu schicken.

Darauf waren riesige Menschenmassen zu sehen von Frauen, Männern, Jung und Alt, selbst mit kleinen Kindern dabei. Sie trugen Fahnen, und Trommeln begleiteten ihre Parolen wie „Die Macht gehört dem Volk“ und „Wir wollen Abdalla Hamdok“, der Name des abgesetzten Premierministers.

General Burhan hatte am Montag voriger Woche die Übergangsregierung, die 2019 zusammengestellt worden war und aus Zivilisten und Militärs bestand, aufgelöst. Burhan war der Vorsitzende des Souveränen Rates, der höchsten Macht im Land. Er rief den Ausnahmezustand aus und erklärte seine Handlungen für gerechtfertigt, um einen „Bürgerkrieg“ zu vermeiden und politische Machtkämpfe zu beenden.

Es stimmt zwar, dass es politischen Streit gab und die schlechte ökonomische Lage das Leben der Bevölkerung sehr schwierig machte, aber Burhan hatte wahrscheinlich andere Gründe für seinen Vorstoß.

Er sollte seinen Posten in der nahen Zukunft an einen Zivilisten übertragen. Diese Macht aufzugeben würde es für die Militärs kompliziert machen, Ermittlungen wegen Massakern an Demonstranten während der Bürgerrevolution von 2019 zu verhindern. Ohne Einfluss in der Regierung könnten die Armeeoffiziere auch ihre lukrativen Geschäfte verlieren.

Verbreitete internationale Kritik

Jonas Horner von der International Crisis Group meint, dass Burhan eine Fehleinschätzung gemacht hat. „Er hatte nicht gerechnet mit dem Engagement, dem Mut und der Sorge auf der Straße um die Zukunft Sudans.“ Schon vor dem Protestmarsch vom Samstag hatte Burhan den abgesetzten Premierminister gebeten, ihm zu helfen, eine neue Regierung zu bilden.

Die militärische Machtübernahme hat auch eine weit verbreitete internationale Verurteilung hervorgerufen. Die USA und die Weltbank haben ihre Hilfe für Sudan eingefroren, wo aufgrund einer Wirtschaftskrise Nahrungsmittel und Medikamente knapp werden und fast ein Drittel der Bevölkerung dringend humanitäre Hilfe benötigt.

Während westliche Staaten den Putsch verurteilt haben, betonten Sudans regionale Verbündete Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Ägypten die Notwendigkeit von Stabilität und Sicherheit. Burhan unterhält seit dem Sturz von Langzeitdiktator al-Bashir 2019 enge persönliche Beziehungen mit Saudi-Arabien und den Emiraten. Die zwei reichen Länder haben schon öfters in der Vergangenheit Sudan große Summen Geld geschenkt. Sie könnten das wieder tun.

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