Festival Tehran Contemporary Sounds: Wenn es Schriftzeichen prasselt

Experimentierwille ohne Dogma: Eindrücke vom elektronischen Festival „Tehran Contemporary Sounds“ im Berliner Kunstquartier Bethanien.

Nazanin Noori am Freitagabend beim Festival "Tehran Contemporary Sound" in Berlin

Pari San am Freitagabend im Kunstquartier Bethanien Berlin Foto: Tehran Contemporary Sound

Mit den Geräuschen eines galaktischen Turbinenkollers beendete Hadi Bastani am Sonntagabend seinen Auftritt im Rahmen der zweiten Ausgabe des Festivals „Tehran Contemporary Sounds“, das seit Freitag im „Studio 1“ des Kunstquartiers Bethanien in Berlin-Kreuzberg stattgefunden hatte.

Aber auch bereits zuvor hatte sich Bastani, Noise-Musiker mit Doktorgrad, nicht lumpen lassen und an den Anfang seines Sets sehr tiefe, geschichtete Bässe gesetzt, in die er mit zunehmender Intensität unterirdisches Gurgeln, hölzernes Klackern und metallisches Klackern schaltete.

Davon abgesehen, dass das noch lauter gegangen wäre – tatsächlich fanden sich Leute im Publikum, die inmitten dieses ohrenbetäubenden Wirbels noch in ihre Smartphones schauten – korrespondierte Bastanis Performance in gewisser Weise mit einem Exponat der Ausstellung, welche die „Tehran Contemporary Sounds“ begleitete.

Farsi-Wort für Punkt

Im zweiten Stockwerk, im Rundgang der ehemaligen Krankenhauskapelle, waren unter dem Titel „Noxte“, Farsi für Punkt, Medienkunst und Installationen ausgestellt. Eine von ihnen, Ghazal Majidis „Pneumo-mania“, stellte in einer auf mathematischen Formeln basierenden Animation einen beständig wachsenden steinernen Organismus dar.

Majidi hatte sich dafür von dem jahrtausendealten iranischen Bewässerungssystem „Quanat“ und dessen tiefen Brunnen inspirieren lassen. Hier könnte Hadi Bastani, seinen Auftritt absolvierte er in Halbdunkel und dezentem Nebel, ein passendes Video finden. Wo Bastani auf ein karges Bühnenbild setzte, griffen andere Künst­le­r:In­nen des Festivals zu Bühnenprojektionen.

Performancekunst, märchenhafter Trickfilm und elektronische Sounds

Da war beispielsweise am Samstagabend Sahar Homami mit einer Performance, die sich aus elektronischer Musik und einer digitalen Bildwelt zwischen Traumarchitektur und Halbleiterplatte speiste. Irgendwann fing es in dieser seltsamen Welt an zu regnen, doch was da niederprasselte, waren Schriftzeichen, Buchstaben in einem ausgedehntem Loop.

Abstrakt und sinnlich zugleich

Nach Homami trat das Duo Soheil Shayesteh und Luka Batista auf: Shayesteh an der Kamantsche, der iranischen Stachelgeige, und Batista bediente die Liveelektronik. In ihrem abstrakt-sinnlichen Auftritt fanden klassische und futuristische Klangsprachen zueinander, die Laser-Projektionen, die ihren Auftritt flankierten, taten das ihrige.

Waren und sind die „Tehran Contemporary Sounds“ schwerer Stoff? Und wenn ja, was spricht gegen das Schroffe? Die Ästhetik des Berliner Festivals, das Plakat- und Flyer-Layout trägt Schwarz wie der erste, 2019 erschienene, sehr hörenswerte Festival-Sampler, ist schon ein Statement, meint Behrooz Moosavi, der Organisator der mehrtägigen Veranstaltung.

Was auf dem Festival über die Bühne ging, ließe sich als „Experimentalismus ohne Dogma“ bezeichnen, wobei einige Dinge schon klar und deutlich waren. Moosavi trug ein T-Shirt mit der Aufschrift „Syndikat bleibt“; das Syndikat ist ein linkes Hausprojekt im Neuköllner Schillerkiez. Weitere „Tehran Contemporary“-Besucher:Innen waren in Migrantifa- und Laibach-T-Shirts gekommen.

Feministische Kooperation

Auch ein Statement war der Programmpunkt, mit dem der Samstagabend begann: Eine von der Iranian Female Composers Association (IFCA) kuratierte Werkschau von einem Dutzend Künstlerinnen: Klassische Musik, Performancekunst, ein märchenhafter Trickfilm, Sounds und Bilder von Fantasie und Selbstbehauptung gab es da zu bestaunen. In der Sache ähnlich der Videoeinspielung, mit der das Festival am Freitag begonnen hatte, wenn auch mit anderer Ästhetik.

Eröffnet hatte nämlich die HipHop-Künstlerin Roody, eine „Rapkon“, in Farsi eine „Rap-Macherin“. In ihren Videos war sie aus Teheran zu sehen, aus der Skyline der Metropole und bei der kreativen Ausgestaltung der Stadtfassaden. Roody wird hoffentlich einmal livehaftig in Berlin zu sehen sein, bis dahin bleibt ihr Gastbeitrag auf einer der Alben, die den Weg nach Berlin geschafft hatten: „Bādbān“ von Taramoon, einem Projekt des Komponisten Nima Aghiani, eine frappierend eingängige Musik.

Auf dem „Tehran Contemporary“ war Aghiani mit der Sängerin Sara Bigdeli Shamloo zu erleben. Beide sind das deutlich experimentellere Duo 9T Antiope, im Gepäck hatten sie ihr gerade erschienenes Kassettenalbum „Placebo“, Teil einer Trilogie gegen vorschnellen Optimismus. Dass das außerordentlich gut klang, sei als Argument für Diffiziles ins Feld geführt.

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