Auf dem Zahnfleisch

Nach der aufreibenden Niederlage gegen Ajax Amsterdam ist ein weiterer Dortmunder Spieler verletzt. Die Ersatzbank könnte wohl besser besetzt sein

Was jetzt? Nicht nur Mats Hummels kann nicht verstehen, warum man ihn vom Platz gestellt hat Foto: dpa

Aus Dortmund Daniel Theweleit

Marco Rose gab sich viel Mühe, aber es fiel dem Trainer von Borussia Dortmund schwer, ein Gefühl der Zuversicht zu empfinden beim Blick auf die Zukunft. „Ich glaube nicht, dass uns das einen Knacks gibt“, sagte der Trainer nach dem 1:3 (1:0) gegen Ajax Amsterdam, an dessen Ende die Dortmunder sich sehr ungerecht behandelt fühlten. Verlässlich konnte er die Auswirkungen dieses hochintensiven Fußballabends jedoch nicht einschätzen. Die Spieler hatten sich vollkommen verausgabt, nicht nur Jude Bellingham hatte Mühe, sich nach dem Abpfiff auf den Beinen zu halten. Mit dem zuletzt immer stärkeren Marius Wolf hatte der BVB einen weiteren Ausfall durch eine Muskelverletzung zu beklagen, und Mats Hummels muss mit einer Sperre rechnen. „Maximal bitter“ sei diese Partie verlaufen, sagte Rose mehrfach. In der Tabelle der Champions-League-Gruppe C sind die Dortmunder auf den dritten Platz abgerutscht, und am Sonntag müssen sie mit einem erschöpften Kader zum Auswärtsspiel bei RB Leipzig antreten.

Am Ende stand eine schwer zu rechtfertigende rote Karte für Hummels im Mittelpunkt der Debatten; diese Schlüsselsituation war aber nur ein Kapitel in einem Gesamtbild der Ärgernisse. Nach den drei anderen Linksverteidigern Guerreiro, Schmelzer und Schulz fällt nun auch Wolf aus. Dahoud, Haaland, Can, Reyna und Morey sind ebenfalls verletzt, Rose gehen die Spieler aus. Torhüter Gregor Kobel ärgerte sich über „zu viele Flanken von der linken Seite“, die sein Team zugelassen hatte, das 1:1 durch Dusan Tadic (72.) und Sebastien Hallers 1:2 (83.) waren nach solchen Bällen gefallen. Jude Bellingham monierte zudem, dass die Mannschaft nach dem Rückstand nicht mehr die Energie aufbrachte, den Gegner noch „ein bisschen mehr unter Druck zu setzen“, aber der junge Engländer, der in der Schlussphase immer weiter rannte wie ein Verrückter, verfügt über Widerstandskräfte, die andere nicht besitzen. Auch deshalb stecken die Dortmunder in einem Teufelskreis, der schwer zu durchbrechen ist. Durch die vielen Verletzten ist es kaum möglich, die Belastung der gesunden Profis so zu steuern, dass die Gefahr neuer Blessuren minimiert wird. Der Kader geht auf dem Zahnfleisch, auch, weil die Spieler, die von der Bank kommen, Mühe haben auf hohem Niveau mitzuhalten, auf. Stefan Tigges arbeitete fleißig, mit Ball gelang ihm aber nicht viel. Leute wie Pongracic, Passlack, Knauff und Malen sind gute Fußballer, sie machen das Team derzeit aber nicht besser. Als Rose auf mögliche Qualitätsdefizite seines Kaders angesprochen wurde, nahm er sein Team jedoch in Schutz: „Ganz ehrlich, wir reden hier über meine Jungs, und auf meine Jungs lasse ich nichts kommen“, sagte er.

„Wir reden hier über meine Jungs und auf die lasse ich nichts kommen“

Marco Rose, BVB-Trainer

Zunächst müssen sie entweder ihre Verletzungsproblematik in den Griff bekommen oder eben weiter improvisieren. Und Vorkommnisse wie Rote Karten vermeiden. Die Dortmunder ärgerten sich nicht zum ersten Mal in dieser Spielzeit über eine Karte. „Ich habe keine Ahnung, wie man als Schiedsrichter auf angeblichem Champions-League-Niveau auf die Idee kommen kann, da Rot zu geben“, sagte Hummels und sprach von einer „absurden Fehlentscheidung“.

Rose ärgerte sich darüber, dass der englische Schiedsrichter nicht zum Bildschirm gelaufen war, um sich die Szene noch einmal anzusehen, eine derartige Überprüfung hatten die Unparteiischen rätselhafterweise nicht für nötig gehalten. Zu zehnt boten die Dortmunder dann einen hingebungsvollen Kampf, in dessen Verlauf Marco Reus sogar per Foulelfmeter zur Dortmunder Führung traf (37.). Das Publikum sah eine mitreißende Schlacht, doch in der Schlussphase schwand die Widerstandskraft des BVB, so dass Ajax die Partie drehen und mit Davy Klaasens 1:3 (90.-+3) endgültig entscheiden konnte. Ein großes Drama ist diese Niederlage aber nicht. Weil der direkte Vergleich in der Tabelle ausschlaggebend ist, reichen ein Unentschieden im nächsten Spiel bei Sporting Lissabon sowie ein Sieg gegen Besiktas Istanbul zum Abschluss der Gruppenphase für den Einzug ins Achtelfinale. Torhüter Kobel weiß: „Wir haben alles in der eigenen Hand.“