Globale Verschwörung gegen Öl, Gas und Kohle

Die Leitung der Klimakonferenz schmiedet Allianzen für das Ende der Fossilen: Das Kapital soll künftig in saubere Technik fließen. Deutschland weiß noch nicht, was es will

Selbst die Ukraine ist schneller als Deutschland – und plant das Kohle-Aus bis 2035: Mine in Perscho­trawensk Foto: Evgeniy Maloletka/ap

Aus Glasgow Bernhard Pötter

Die Warnung ist mal wieder laut und deutlich: „Die schnelle Erholung der CO2-Emissionen nach der Covid-19-Pandemie verstärkt den Bedarf nach sofortigem Handeln und globaler Zusammenarbeit bei der Antwort auf den Klimawandel.“ So steht es im aktuellen Bericht des Thinktanks „Global Carbon Project“, der regelmäßig den Klima-Emissionen weltweit den Puls fühlt. Der Report wurde am Donnerstag auf den Klimakonferenz in Glasgow vorgestellt. Fazit: Nach einem Einbruch der Emissionen durch Corona und Wirtschaftskrise um 2 Milliarden Tonnen 2020 wird der energiebedingte CO2-Ausstoß in diesem Jahr fast wieder auf das Vor-Corona-Level von gut 36 Milliarden Tonnen klettern.

Gegenüber 2019 wären dann weltweit die Abgase aus Kohle, Gas und Öl trotz aller Bemühungen nur um 0,8 Prozent gesunken. Zwar wurden erneuerbare Energien inzwischen stark ausgebaut, aber vor allem der fossile Energiehunger in China und Indien frisst alle Fortschritte auf: Der Verbrauch von Kohle und Gas hat weltweit zugenommen, nur die Verbrennung von Öl ging leicht zurück.

Um diese Renaissance der Klimakiller zu verhindern, wurden auf der Konferenz am „Energietag“ mehrere Initiativen und Allianzen vorgestellt. Der Ausstieg aus der Kohle soll schneller und von mehr Ländern als bisher kommen; ab 2022 sollen in vielen Industriestaaten keine öffentlichen Gelder mehr in die Finanzierung von Öl, Gas und Kohle im Ausland fließen und das Geld in Erneuerbare fließen; und eine neue Allianz von Rohstoffländern will sich verpflichten, keine neuen Öl- und Gasfelder zu erschließen. „Wir müssen die öffentlichen Finanzen auf die richtige Seite der Geschichte bekommen“, heißt es in einem Aufruf der britischen Konferenzleitung und der Europäischen Investitionsbank.

Vor allem das Ende der fossilen Exportprojekte soll einen großen Unterschied machen: Etwa 24 Länder, unter ihnen auch die USA, wollen ab Ende 2022 kein Steuergeld mehr für die Förderung von Öl-, Gas- und Kohleprojekten geben – und diese Summen, derzeit etwa 8 Milliarden Euro jährlich, in Erneuerbare stecken. Damit würden die USA aufhören, im Ausland mit Steuergeld Terminals für den Export ihres Flüssiggases zu unterstützen.

Ob auch Deutschland das Papier unterzeichnen wird, war bei Redaktionsschluss noch unklar. Das Umweltministerium sei dafür, hieß es, aber die Regierung insgesamt noch nicht entschieden. Regine Richter von der Umweltgruppe urgewald kritisierte das Zögern: „Da stehen falsche wirtschaftliche Interessen immer noch über dem Klimaschutz.“ Seit dem Abkommen von Paris hat Deutschland für 144 solcher fossiler Projekte Exportbürgschaften mit insgesamt knapp 12 Milliarden Euro bewilligt, fand eine Studie von urgewald und Deutscher Umwelthilfe heraus. Aktuell ist deutsche Finanzhilfe für ein Erdgasterminal in der russischen Arktis im Gespräch.

28 neue Mitglieder präsentierte Konferenzpräsident Alok Sharma auch für die „Powering Past Coal Alliance“, die seit 2017 Länder, Regionen und Unternehmen versammelt, die schnell aus der Kohle aussteigen: bis 2030 für Industrieländer, bis 2040 für alle anderen. Neu sind jetzt unter anderem Chile, die Ukraine, Singapur und Städte in Polen und den Philippinen, aber auch Banken wie NatWest oder Lloyds. Damit soll sich der Druck erhöhen, weltweit keine Kohlekraftwerke mehr zu bauen – vor ­allem China ist hier führend. „Das Ende der Kohle ist in Sicht“, sagte Sharma.

Erst kürzlich hatten China, Korea und Japan verkündet, ihre Kohlefinanzierung im Ausland zu beenden. Auch hier hinkt Deutschland hinterher. Bisher steht das Datum 2038 für den Kohleausstieg, jetzt steigt der Druck, das früher zu schaffen.

Und schließlich planen Dänemark und Costa Rica eine neue „Allianz jenseits von Öl und Gas“ (Boga) von Ländern, die sich dazu verpflichten, keine neuen Öl- und Gasfelder mehr zu erschließen. Mitglieder „zweiten Ranges“ müssen sich immerhin verpflichten, ihre Subventio­nen für fossile Brennstoffe zu senken. Diese Aufgabe ist groß genug: Laut einer Rechnung des Weltwährungsfonds stützen die UN-Staaten ihre Kohle-, Gas- und Ölindustrie mit jährlich insgesamt fast 6 Billionen Dollar.