Historische Olympia-Maskottchen: Das Münchner Dackeltum

Dass 1972 ein Dackel zum Maskottchen der Sommerspiele wurde, fanden nicht alle gut in der Stadt. Jetzt gibt es das Tier im neuen IOC-Shop zu kaufen.

Zwei Hunde beschnuppern sich, der Olympiaspielzeughund steht daneben.

Drei Dackel für München: Zamperlparade 1972 in der Fußgängerzone Foto: Heinz Gebhardt/imago

Tiere haben es nicht leicht bei Olympia. Bockige Pferde müssen da schon mal mit heftigen Schlägen rechnen. Die Bilder aus Tokio vom verzweifelten Versuch der Modernen Fünfkämpferin Annika Schleu, ein Pferd zum Springen über Hindernisse zu bewegen, haben einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Jetzt sollen die Modernen Fünfkämpferinnen nicht mehr reiten. Irgendwas mit Radfahren soll die Disziplin ersetzen. Wie man auf diese Idee gekommen ist? Vielleicht lag es ja für den einen oder die andere in der Union Internationale de Pentathlon Moderne im Sinne der olympischen Artenvielfalt nahe, ein Pferd durch einen Drahtesel zu ersetzen. Wer weiß das schon?

Pferde wird es vorerst weiterhin geben bei Olympia. Es muss wohl noch manches Tier gequält werden, bis Sportler ohne Pferd im Sand zu Musik herumturnen, bis ein Weit- und Hochsprungparcours für Springmenschen auf der Wiese aufgebaut wird und eine Kombination daraus veranstaltet wird, die um einen Crosslauf erweitert wird, der so schwer ist, dass sich die Teilnehmenden schon mal das Genick brechen können, wenn sie ein Hindernis nicht korrekt genommen haben und zu Sturz kommen. Tiere können sich dann nur noch in Plüsch für Olympia qualifizieren – als Maskottchen.

Solche gibt es seit den Sommerspielen von 1972 in München, als ein Dackel namens Waldi zum wahren Verkaufsschlager geworden ist. Das gestreifte Tierchen in den 72er Farben Helblau, Hellgrün, Gelb, Orange und Dunkelgrün mit den kräftig blauen Ohrwaschln hatte seinerzeit das Zeug, die Gesellschaft in München zu spalten. Da wollte man sich so weltoffen zeigen, setzte in der Tat Maßstäbe in Sachen Architektur, steckte dann aber die Hostessen in grässliche Fantasiedirndl und präsentierte als typisch Münchnerisch ausgerechnet einen Dackel.

Parade der Dackelianer

Was die einen schrecklich spießig fanden, wurde von den Dackelianern in der Stadt gefeiert. Hans-Jochen Vogel, der als Oberbürgermeister die Spiele in das bayerische Großstadtdorf geholt hatte, führte seinen eigenen Dackel an der Leine, als zu Beginn des Jahres 1972 die Fußgängerzone mit einer Zamperlparade eröffnet worden ist.

Historische Aufnahmen zeigen die erschreckend hohe Lodenmanteldichte unter den menschlichen Mitwirkenden des Marschs. Der wirkt wie eine Treibjagd auf all die langhaarigen Spinner, die nur wenige Jahre zuvor in den Schwabinger Krawallen die städtische Gesellschaft um ihre voralpenländische Ruhe gebracht hatte.

Zur selben Zeit betrat ein gewisser Gustl Bayrhammer als Kommissar Veigl im Ersten Deutschen Fernsehen seinen ersten Tatort. Und womit? Mit einem Dackel. Einen biedereren Bayern hätte man sich nun wahrlich nicht ausdenken können. Und damit der Münchner Mordermittler auch wirklich für jedermann als Spießer zu erkennen war, gab man ihm eine Leine in die Hand, an der ein Dackel hing.

Ob man bei den Olympiern an deren Stammsitz in Lausanne um die Kulturgeschichte des Münchner Dackeltums weiß? Egal. Sie haben beschlossen, dass der Waldi zum olympischen Erbe gehört. Im frisch eröffneten Olympiashop des IOC gehört er in Plüsch zur Heritage Collection. Für 36 Euro kann man den kleinen Spießgesellenfreund erwerben.

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