Krisenkonferenz der CDU: Die neue Lust auf Streit

Wird der nächste CDU-Chef über eine Mitgliederbefragung bestimmt? In Baden-Württemberg will man erst mal über Inhalte reden.

Friedrich Merz und jens Spahn zwischen Menschen.

Deja-vu? Friedrich Merz und jens Spahn bei einer Regionalkonferenz 2018 Foto: Stefan Zeitz/imago-images

KARLSRUHE taz | Vergangene Woche brachte es der Mannheimer CDU-Stadtrat Thomas Hornung zu bundesweiter Prominenz, weil er eine Reporterin bei ihrer Arbeit behinderte. Während einer Live-Schalte vom Parteitag des CDU-Stadtverbands unterbrach Hornung die Berichterstatterin so lange, bis sie ihren Beitrag abbrechen musste. Er fühlte sich von der Reporterin gestört.

Der Eklat sorgte für so viel Wirbel, dass sich die Ortspartei für ihr wildgewordenes Parteimitglied entschuldigen musste.

Hornung aber ist nicht nur einfach ein wilder Typ. Er war Mitarbeiter und ist enger Freund des ehemaligen CDU-Bundestagsabgeordneten Nikolas Löbel, der seiner Partei die Maskenaffäre und finanzielle Ungereimtheiten samt staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen hinterlassen hat. In dem Beitrag der Reporterin ging es um die Verstrickung der Mannheimer CDU in die Geschäfte von Löbel.

Nicht überall ist die CDU in einem so desolaten Zustand wie in Mannheim. Aber wenn an diesem Samstag die Kreisparteichefs aus dem ganzen Land in Berlin zusammenkommen, um den Fahrplan zur Wahl eines neuen Parteivorsitzenden festzulegen, können sie der Parteiführung viel von aufgebrachten Parteimitgliedern berichten.

Richard Arnold, CDU-Urgestein und Oberbürgermeister von Schwäbisch Gmünd, schaut skeptisch auf das Treffen in der Hauptstadt, wo es wieder vor allem um Verfahren und Köpfe gehen wird. „Dabei gibt es einen für die CDU ungewöhnlichen Hunger nach einer inhaltlichen Debatte“, beobachtet er. Die Mitglieder wollten nicht möglichst schnell einen neuen Vorsitzenden wählen, sondern erst mal über die Partei und ihre Positionen sprechen, sagt Arnold, der früher die baden-württembergische Landesvertretung in Brüssel geführt hat und bis heute weit über den Tellerrand seiner Gemeinde blickt.

Arnold hat mit seiner Kreis-CDU gleich nach der Wahl eine Veranstaltung gemacht. Über Hundert Leute seien da gekommen und hätten eifrig über Gesundheitspolitik und Infrastruktur gesprochen, aber nicht darüber, wer die CDU künftig führen soll.

„Dieses Treffen der Kreisvorsitzenden ist jetzt nicht die richtige Veranstaltung“, findet Arnold. Allein schon, dass es in Berlin stattfindet, sei das falsche Signal. Die Parteispitze müsste jetzt zu den Mitgliedern kommen, eine Tour durchs Land machen, so wie Annegret Kramp-Karrenbauer nach ihrer Wahl zur Parteivorsitzenden, sagt Arnold.

Auch wenn das wehtut, was der CDU-Landesvorsitzende Thomas Strobl gerade erfahren muss. Er macht die Tour durch die Orts- und Bezirksparteitage, und muss sich eine Menge anhören. Etwa von der CDU-Ortsvorsitzenden aus Unterkirnach bei Ulm. Sie berichtet von monatlichen Parteiaustritten und über ihre leere Parteikasse, die der Anlass für die schwäbische Unternehmerin Susanne Ciam­pa war, auf dem Bezirksparteitag den Parteivorsitzenden und 25 weitere Mitglieder zum Rücktritt aufzufordern.

Thomas Strobl, baden-württembergischer Landesinnenminister, seit dem Jahr 2011 Landesvorsitzender und Wolfgang Schäubles Schwiegersohn, steht bei vielen an der Basis für jene Hinterzimmerpolitik, die Arnold kritisiert.

Strobl ist ein Überlebender der alten CDU. Mit seiner politischen Puddinghaftigkeit konnte er sich als einer der wenigen aus der kurzen Regierungszeit des Stuttgart-21-Vollstreckers Stefan Mappus retten und sogar Parteivorsitzender werden. Spitzenkandidat wurde Strobl dennoch nie. Im Jahr 2015 unterlag er in der Mitgliederbefragung Guido Wolf. Und vor der letzten Wahl musste er Susanne Eisenmann den Vortritt lassen. Beide Wahlen gingen verloren, Wolf ist heute Hinterbänkler im Landtag, Eisenmann aus der Öffentlichkeit verschwunden. Nur Strobl ist immer noch da.

Viel spricht dafür, dass ihn die Delegierten am 13. November auf dem Landesparteitag noch einmal zum Vorsitzenden wählen. Seine politische Lebensversicherung ist die Koalition mit Kretschmanns Grünen, wo er die einstmals stolze Südwest-CDU ein weiteres mal als Juniorpartner untergebracht hat.

Nicht nur Strobl hat schlechte Erfahrungen mit der Mitgliederbefragung gemacht. In der Südwest-CDU hat sie schon mal für eine Spaltung gesorgt. 2004 wollte der damalige Ministerpräsident Erwin Teufel mit einer Urwahl Günther Oettinger als seinen Nachfolger verhindern. Er schickte die spätere Bundesbildungsministerin Annette Schavan ins Rennen. Die Folge war der Sieg Oettingers und ein tiefer Graben zwischen katholischen, konservativen, ländlichen Schavan-Anhängern und eher liberal-städtischen Oettinger-Anhängern. Eine Spaltung, die bis heute nachwirkt.

An diesem Wochenende startet der Klimagipfel in Glasgow. Das 1,5-Grad-Ziel scheint utopisch – oder kann aus Glasgow doch Paris werden? Außerdem in der taz am wochenende vom 30./31. Oktober: 10 Jahre nachdem der rechtsterroristische NSU aufgeflogen ist, sind noch immer viele Fragen offen. Und: Eine 85-jährige Akrobatin, eine Konditorin und viele schöne Kolumnen. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Kein Wunder, dass in ­Strobls Umfeld wenig Begeisterung für eine Mitgliederbefragung herrscht. Die Befürchtung der Parteiführung im Südwesten: Am Ende werde der lauteste und populistischste Kandidat der neue Bundesvorsitzende. Teufel, Oettinger, Schavan, Mappus? Für Ciampa, die Delegierte, die den Abwahlantrag gegen Strobl stellte, sind das Namen aus fernen Zeiten. Sie kenne diese alten Geschichten nur vom Hörensagen, sagt sie. Und es klingt, als seien sie ihr auch ein bisschen egal. Ciam­pa will einen Neuanfang. Die CDU ist ihr zu weich gespült. „Man muss sich auch mal wieder richtig streiten“, findet sie.

„Die Basis ist heute selbstbewusster“, bestätigt Bürgermeister Arnold, „wir sind keine Abhak-Partei mehr.“ Die Gute Nachricht sei: „Den Mitgliedern ist die Partei immer noch wichtig.“ Die schlechte: „An der Parteispitze scheint das keinen zu interessieren.“ Der Bürgermeister muss bitter lachen.

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