berliner szenen
: Wühlen und finden

Vor dem Haus, in dem ich wohne, steht eine Freebox, auf die ich vom Balkon aus direkt hinunterschauen kann. Sie ist ziemlich solide gebaut und hält durch geduldiges Hinterherputzen den zahlreichen Anstürmen der Zornigen und Angearschten stand. Denn sie durchwühlen so nervös und wie vorwurfsvoll die Kisten, die auf einem Gestell unter einem kleinen Regenschutz stehen, und alles, was sie nicht brauchen können, pfeffern sie mutwillig in die Gegend, und zum Schluss gibt es noch einen Tritt.

Oft aber werden sie fündig und dann finden es viele am praktischsten, sich sofort direkt vor Ort umzuziehen und die alten Klamotten als Haufen liegen zu lassen. Das ist nicht schön, aber allzu sehr unterscheidet sich mein Verhalten davon nicht. Ich schau da auch und habe dadurch schon echtes Geld gespart. Außerdem hat sich dank der Freebox meine Schwäche für seltsame Kleidungsstücke enorm ausdifferenziert. Man verfällt einer seriellen Monogamie. Eine Zeitlang ist ein dort gefundener Pulli cool und der einzig Mögliche, dann kommt irgendwann ein anderer und der ist dran.

Die Sicht auf die Kiste wird in meinem Fall auch dadurch beeinflusst, dass ich einen Oink-Punk in der Familie habe. Die Leute an der Freebox hält der Oink allesamt für elende Penner. Von mir aus, aber dann bin ich es auch. Rupfiges Federkleid oder brauner Schmodder.

Bis vor einer Weile war die Freebox der Treffpunkt einiger wortreicher Impfgegnerinnen und überhaupt erlebt man an diesem Ort der Begegnung so manche Überraschung.

Und wenn man zur Feier des beginnenden Wochenendes eine Haschzigarette im Gesicht hat und dabei zusieht, wie einer mit einer hellen Stabtaschenlampe einen Karton mit Kleinzeug – klicker klacker – ausführlich untersucht, ist das sehr lustig.

Katrin Schings