Scheidender Entwicklungsminister: Gerd Müller hat geliefert

Die Erfolge des CSU-Entwicklungsministers: Mehr Geld gegen Armut, Lieferkettengesetz, Hilfe für Afrika. Doch die großen Widersprüche blieben.

Entwicklungsminister Gerd Müller bei einer Pressekonferenz.

Entwicklungsminister Gerd Müller präsentiert den 16. entwicklungspolitischen Bericht Foto: Britta Pedersen/dpa

BERLIN taz | Gerd Müller ist bekannt für klare Botschaften. „Hunger ist Mord“, erklärte er am Mittwoch bei seinem vermutlich letzten Auftritt als Entwicklungsminister in der Bundespressekonferenz. Weltweit „sterben täglich 15.000 Kinder“ an Unterernährung. Dieses Leid ließe sich verhindern, legte der CSU-Politiker nahe, wenn die Politik nur wollte.

Müller selbst wollte wirklich. Während seiner acht Jahre als Chef schaffte er einige Erfolge, etwa die ungefähre Verdoppelung der deutschen Ausgaben für staatliche Entwicklungsarbeit auf jetzt über 13 Milliarden Euro jährlich. Im Vergleich zu seinem Amtsvorgänger Dirk Niebel (FDP) und auch KollegInnen der amtierenden Bundesregierung wie Andreas Scheuer, Julia Klöckner, Horst Seehofer oder Anja Karliczek erreichte er deutliche Fortschritte.

Aus den großen Widersprüchen kam aber auch Müller nicht heraus. So mahnte er wieder einmal eine „gerechte Welthandelsordnung“ an. In der Praxis scheiterten Bemühungen für mehr globale Gerechtigkeit jedoch auch an den Interessen der hiesigen Unternehmen, der Politik des Bundeswirtschaftsministers oder an Müllers eigenen Prioritäten.

So wies Dagmar Pruin, die Präsidentin der evangelischen Entwicklungsorganisation Brot für die Welt, darauf hin, dass auch Müller durchaus mehr dafür hätte tun können, ökologische und kleinteilige Landwirtschaft in ärmeren Staaten zu fördern als vornehmlich industrielle Agrarproduktion. Eberhard Brandes, Vorstand des Umweltverbandes WWF, lobte dagegen Müllers Leistungen als „Leuchtturm“.

Nun droht dem Ministerium die Auflösung

Der präsentierte am Mittwoch seinen entwicklungspolitischen Bericht der vergangenen vier Jahre. Zu den Erfolgen gehört das Lieferkettengesetz, das hiesige Firmen zur Einhaltung der Menschenrechte in ihren ausländischen Zulieferfa­briken verpflichtet.

Außerdem hielt das Ministerium erstmals eine internationale Verpflichtung ein, an der seine VorgängerInnen jahrzehntelang gescheitert waren. 2016 und 2020 stellte die Bundesregierung jeweils 0,7 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung als Entwicklungsausgaben zur Verfügung. Wobei zu dieser positiven Bilanz teilweise auch Mittel beitrugen, die nicht in arme Länder flossen, sondern in Deutschland etwa für Flüchtlingsunterkünfte ausgegeben wurden.

Die verstärkte Zahlungsbereitschaft kam nicht von ungefähr: Die große Einwanderung ab 2015 führte zum Bemühen der Regierung, „Fluchtursachen zu bekämpfen“ – positiv gewendet: etwaigen Flüchtlingen ein erträgliches Leben in ihrer Heimat zu erleichtern. Die Unterstützung für afrikanische Staaten wurde ausgebaut.

Am Mittwoch forderte Müller, die Ausgaben für Entwicklungspolitik weiter anzuheben: „Deutschland muss auf ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts kommen.“ Als eine Möglichkeit dafür betrachtet er die Einführung der Finanztransaktionssteuer, einer Steuer auf internationale Finanzgeschäfte. Die scheitert auf EU-Ebene seit Jahren an einzelnen Regierungen. Auch die deutsche hat sich dabei nicht gerade hervorgetan. „Müller hat ebenfalls nichts unternommen, um die Finanztransaktionssteuer durchzusetzen“, kritisierte der grüne Entwicklungspolitiker Uwe Kekeritz.

Nun wird der 66-Jährige seinen Weg bald als Chef der kleinen UN-Organisation Unido fortsetzen, die sich von Wien aus um industrielle Entwicklung kümmert. Der kommenden Bundesregierung riet er noch, das Entwicklungsministerium bloß nicht aufzulösen. In Verhandlungskreisen wird wohl auch die Option erörtert, das Haus ins Auswärtige Amt zu integrieren.

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