Friedrichstraße bleibt autofrei: Wer will hier schon flanieren?

Die Friedrichstraße bleibt in der Mitte autofrei. Das ist nicht schlecht. Aber richtig durchdacht ist es auch nicht.

Fahrradfahrende auf der Friedrichstraße

Tempo 20 – für viele RadlerInnen auch nur ein Richtwert Foto: dpa

Eins ist klar: Dass ein Abschnitt der Friedrichstraße (ungefähr ein Fünftel, um genau zu sein) weiterhin autofrei bleiben soll, ist eine gute Nachricht für viele Menschen. Das endlose Stop-and-go, das aggressive Blechgedrängel in der engen grauen Schlucht will niemand zurückhaben, der halbwegs bei Verstand ist. Das ist aber nur die halbe Wahrheit.

Denn dass die „Flaniermeile“ ein voller Erfolg ist, kann auch nur behaupten, wer lieber nicht so genau hinschaut. Die Kernidee, eine Fußgängerzone mit einer Radstrecke zu verschmelzen, funktioniert einfach nicht. Flanieren ist entspanntes, mäanderndes Schlendern, das geht einfach nicht zusammen mit einem breiten Mittelstreifen, wo Tempo 20 von vielen RadlerInnen auch nur als Richtwert verstanden wird.

Dazu passen die vorläufigen Zahlen, aus denen hervorgeht, dass der Radverkehr in der Friedrichstraße stark zugenommen hat, der Fußverkehr dagegen stagniert. Das kann auch ein Corona-Effekt sein, aber eben nicht nur. Und während der Autoverkehr erfreulich großräumig wegdiffundiert ist, hat er in den Nebenstraßen dann eben doch deutlich zugenommen. Dass die Verkehrsverwaltung hier noch „Konzepte entwickeln“ will, ist gut. Laut Senatorin Günther soll auch der Vorschlag geprüft werden, für den Radverkehr eine „Vorrangroute“ in der Charlottenstraße einzuführen. Offen bleibt dabei, was in diesem Fall aus der Bikelane in der Friedrichstraße würde.

Langweilige Straßenschlucht

Der eigentliche Knackpunkt aber: Trotz allen Schönredens eignet sich die Friedrichstraße gar nicht wirklich zum Flanieren. Man kann Kübelpflanzen und Vitrinen dort aufstellen, soviel man will (Bäume pflanzen geht nicht, wegen der U-Bahn), es bleibt eine Straßenschlucht und eine grottenlangweilige dazu. Das liegt an den horrenden Mieten, die nur Edelboutiquen oder Einzelhandelsketten zahlen können, aber auch daran, dass hier so wenige Menschen wohnen.

Vielleicht wäre es ja schlauer, die Straßen rund um den Gendarmenmarkt von Autos zu befreien. Nicht, dass es hier, gleich nebenan, um ein Vielfaches spannender wäre, aber es gibt mehr Licht und Luft und was fürs Auge. Hoffentlich bleibt nach Günthers Vorfestlegung noch genügend Raum für alternative Ideen.

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Jahrgang 1969, lebt seit 1991 in Berlin. Seit 2001 arbeitet er mit Unterbrechungen bei der taz Berlin, mittlerweile als Redakteur für die Themen Umwelt, Mobilität, Natur- und Klimaschutz.

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